Stadtführung
Angekommen in Lingen nahm uns zunächst Herr Hofschröer vom Stadtmarketing mit auf eine Führung durch die Innenstadt. Wir starteten im historischen Rathaus, im alten Ratssaal. Hier sind in Buntglasfenstern an den Seiten historische Ereignisse der Stadt dargestellt, die bis in die neueste Geschichte reichen. Einige dieser Stationen gingen wir durch und erfuhren so von dem verheerenden Stadtbrand 1548, dem die meisten Gebäude der Stadt zum Opfer fielen. Daher sind Teile des Untergeschosses des Alten Rathauses und des nebenan gelegenen Ratskellers die ältesten Gebäudeteile der Stadt. Sie enthalten Balken, die den Brand damals überstanden, und sind an ihrer schwarzen Färbung zu erkennen. Die wechselvolle Besatzungsgeschichte der Stadt, die z.B. mehrfach an die Spanischen Niederlande, die Oranier fiel, kann hier abgelesen werden. Ebenso der Eröffnung des Bahnanschlusses mit Bahnausbesserungswerk 1856, das viele Arbeitsplätze schuf, oder des mittlerweile abgeschalteten Atomkraftwerkes Emsland Süd 1988 ist je ein Fensterabteil gewidmet. In der unteren Etage des Rathauses kann man sehen, dass es sich ursprünglich um einen Arkadenbau handelte. Von hier konnte der Marktplatz ursprünglich überblickt und Gericht gehalten werden, neben weiteren Gerichtsplätzen in der Stadt.
Vom Rathaus wurden wir zu dem Ort geführt, an dem einmal das Mühlentor gestanden hat; einer von drei Zugängen zur Stadt, der ursprünglich mit dem Stadthafen verbunden war. An Lingen flossen zwei Arme der Ems, von denen einer jedoch zugeschüttet wurde, um die regelmäßigen Überflutungen des Gebietes zu vermeiden. Dadurch verlandete auch der alte Stadthafen und ist heute nicht mehr sichtbar.
Anschließend gingen wir die Kirchstraße hinunter. Hier liegt heute die reformierte Kirche der Stadt Lingen, die auch die älteste Kirche ist. Ihr Turm diente im Mittelalter als Wehrturm. Leider wird in der Kirche derzeit gebaut, weshalb wir uns kein Bild vom Inneren der Kirche machen konnten. Da die Kirche ursprünglich zum Kloster- und Krankenhauskomplex der Stadt gehörte, sind auf dem Friedhof katholische Ordensfrauen und protestantische Priester begraben.
Danach führte uns Herr Hofschröer auf den heutigen Universitätsplatz der Stadt Lingen. Hier errichteten die Oranier Ende des 17. Jahrhunderts eine Lateinschule für Jungen und später auch eine Universität für die Fächer Evangelische Theologie, Jura, Medizin und Geisteswissenschaften. Die Universität unterstand bis zum Anschluss an Preußen einer eigenen Gerichtsbarkeit. Hier wurde auch die lutherische Kreuzkirche errichtet, die der Universität auch als Aula dienen sollte. Da die Universität jedoch sehr klein war, wenig Studenten hatte und reformierte, statt der in Preußen üblichen lutherischen Theologie lehrte, wurde sie unter preußischer Herrschaft geschlossen. Die Bücher der Universität gingen in den Besitz des heutigen Gymnasiums Gregorianum über.
Zum Schluss erzählte uns Herr Hofschröer noch vom Palais Danckelmann, das sich auf dem Gelände des heutigen Amtsgerichtes befindet. Sylvester von Danckelmann wurde unter den Oraniern zum Drosten ernannt und hatte die Gerichtsbarkeit der Stadt inne. Seit er das Palais 1646 errichtete, ist die Gerichtsbarkeit der Stadt am selben Platz. Das heutige Amtsgericht hat sich um das Palais herum entwickelt.
Emslandmuseum
Nach einer Mittagspause trafen wir uns gemeinsam am Emslandmuseum Lingen. Hier machten wir eine Führung mit Museumsleiter Dr. Christof Spannhoff. Das Museum ist kein Stadtmuseum, da es historisch aus dem Kreismuseum gewachsen ist. Neben Dauerausstellungen zur Stadt im älteren Gebäudeteil des Museums und zum Leben im Emsland im sogenannten Kutscherhaus, welches Teil des Palais Danckelmann war, finden im neuen Gebäudeteil regelmäßig Sonderausstellungen statt. Diese können durch die Benennung des Museums auch vielfältiger ausfallen als bei einem Stadtmuseum.
Das Museum ist sehr interaktiv gestaltet, und auch die kleinste Möglichkeit für Ausstellungsfläche wird genutzt. So finden sich z. B. Stadtpläne auf dem Boden, Ausstellungsstücke in Vitrinen, an den Wänden und im Raum stehend. Es gibt auch Möglichkeiten, gerade für Kinder, das Museum spielerisch zu entdecken und etwa durch ein Tunnelsystem den Raum zu wechseln oder besonders nah an Ausstellungsstücke heranzukommen. Die einzelnen Räume der Ausstellung zur Stadtgeschichte widmen sich den Themen sowohl chronologisch als auch thematisch. Der erste Raum befasst sich dabei mit der Gründung der Siedlung durch die Grafen von Tecklenburg und der Stadtwerdung von Lingen durch die günstig gelegene Lage an zwei Hauptverkehrsachsen. Auch die Hafengeschichte der Stadt wird hier kurz thematisiert. Der nächste Raum widmet sich dem 80-jährigen Krieg und der Freiheitsbewegung der Niederlande, da Lingen zu der Zeit unter der Herrschaft der Oranier stand und abwechselnd von spanischen Söldnern oder den Niederländern erobert wurde. 1607 explodierte das Munitionslager der Stadt bei Feierlichkeiten, vermutlich ein Unfall. Ungefähr 400 Menschen sterben. Die beschädigte Burg wird nicht wieder aufgebaut und 1632 geschliffen. Damit ist Lingen seitdem keine Festungsstadt mehr.
Der folgende Raum befasst sich mit der Religionsgeschichte der Stadt. Hier werden mehrere Gegenstände gezeigt, die von allen drei vertretenen Konfessionen für die Eucharistie verwendet werden. Aber auch Heiligenfiguren, die auf Dachböden und in Scheunen gefunden wurden und dort lutherischen und calvinistischen Reformbewegungen versteckt wurden. Die nächsten Räume setzen sich mit Lingen auseinander, seit es unter preußischer Verwaltung stand: Ganz konkret beschäftigt sich ein Teil des Raumes mit jüdischem Leben in Lingen, ein anderer mit dem Bahnausbesserungswerk und wie sich dies während der Zeit des Zweiten Weltkrieges entwickelte. Beeindruckend ist hier ein Bild, das Kaiser Friedrich von Preußen zeigt. Es handelt sich dabei um eine Kopie, die ein Künstler anfertigte. Das Bild hing im Flur einer Wohnung einer jüdischen Familie in Lingen. Während der Reichspogromnacht wurde dieses Bild beschädigt, da Kaiser Friderich darauf nicht erkannt wurde. Dieses Bild vereint somit zwei Themen des Raumes auf sich, wenn auch nicht auf den ersten Blick erkennbar, da die Beschädigung restauriert wurde.
Ein letzter Raum widmet sich den Kivelingen der Stadt Lingen. Hierbei handelt es sich um einen Schützenverein, der bereits 1357 gegründet worden sein soll. Dies lässt sich nicht mehr sicher belegen, denn das Buch der Kivelinge, das ihre Geschichte enthielt, erlitt bei einem Hochwasser 1946 einen Wasserschaden. Gemeinsam mit dem Schatz der Kivelinge wird das Buch heute im Museum aufbewahrt. Immer zum Fest der Kivelinge, das alle 3 Jahre stattfindet, wird der Schatz ausgegeben und für die Feierlichkeiten genutzt. Zum Schluss ging es für unsere Gruppe in den neuen Gebäudeteil.
Im neuen Gebäudeteil findet aktuell eine Sonderausstellung zur archäologischen Denkmalpflege und Stadtarchäologie statt, mit einem Schwerpunkt auf der 1050-Jahr-Feier der Stadt Lingen. Aufgrund des knappen Zeitrahmens konnten wir hier nur noch die wichtigsten Elemente der Ausstellung betrachten, wie verschiedene Schmuckperlen, ein Paar Schuhe oder Tierknochen, die bei Ausgrabungen im Stadtgebiet oder dem direkten Umland gefunden wurden.
Abschluss und Reflexion
Zum Abschluss haben wir über den Tag gemeinsam reflektiert. An der Stadtführung hat uns sehr gefallen, dass man direkt einen örtlichen Bezug zu der erzählten Geschichte dahinter hatte und dass auch klar wurde, wie die Geschichte heute baulich zwischen den neuen Gebäuden der Stadt integriert und verortet ist. Am Museumsrundgang gefiel uns besonders auch der spielerische und zum Großteil auch kindgerechte Aufbau des Museums. Dieser macht es auch für Schulklassen im Grundschulalter interessant, in ein Museum zu gehen. Die Führung war sehr informativ und vertiefte noch einmal das, was wir in der Führung bereits gehört hatten. Wir alle fanden beides gut gestaltet und die Mischung aus dichten Hintergrundinfos und direkter lokaler Verortung durch die Stadtführung gefiel uns als Konzept auch gut. Nach unserem Abschlussgespräch traten wir die Heimreise nach Osnabrück an.