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Pressemeldung

Nr. 63 / 2022

09. Dezember 2022 : Spuren im Boden: Universität Osnabrück und Gedenkstätte Esterwegen entwickeln digitale Ausstellung

Aus den Tatorten nationalsozialistischer Verbrechen sind heute vielfach Gedenkstätten geworden. An diesen Orten werden die Schicksale und das Leid der Opfer rekonstruiert und bewahrt, aber auch die Gewalt und die Verantwortung der Täter werden benannt. Welche Möglichkeiten können neue didaktische Zugänge zu Schauplätzen nationalsozialistischer Gewalt und Verbrechen für die Arbeit von Gedenkstätten erschließen? Dieser Frage konnte die Gedenkstätte Esterwegen gemeinsam mit der interdisziplinären Arbeitsgruppe „Konfliktlandschaftsforschung“ der Universität Osnabrück unter Leitung von Prof. Dr. Christoph Rass nachgehen.

Personengruppe im Wald Großansicht öffnen

© Foto / Gedenkstätte Esterwegen

Die Projektbeteiligten haben die Landschaften von Opfer- und Täterorten im Emsland auf historische Spuren untersucht.

Im dreijährigen durch „Jugend erinnert“ geförderten Kooperationsprojekt „Boden |Spuren. Gewaltorte als Konfliktlandschaften in der Geschichtskultur“ haben Studierende der Universität Osnabrück die Landschaften von Opfer- und Täterorten im Emsland auf historische Spuren untersucht und mit den gewonnenen Forschungserkenntnissen neue Formate in der Bildungsarbeit entwickelt. Die Projektleiter ziehen zum Projektabschluss eine positive Bilanz.

In einem Pressegespräch präsentierten die beiden Gedenkstättenleiter Martin Koers und Dr. Sebastian Weitkamp gemeinsam mit Prof. Dr. Christoph Rass die Ergebnisse in Form einer digitalen Ausstellung. Sie wird begleitet von digitalen Vertiefungsangeboten für Smartphone oder Tablet.

„Ziel des Vorhabens war es, gemeinsam mit jungen Menschen Perspektiven auf die Neuaushandlung und Aneignung von Geschichte in einem Dialog zwischen Wissenschaft, Gedenkorten und öffentlicher Geschichtskultur zu erarbeiten“, sagen Gedenkstättenleiter Koers und Dr. Weitkamp.

Das Projekt begann im Jahr 2020 mit zehn Studierenden der Universität Osnabrück auf dem ehemaligen Gelände des emsländischen Strafgefangenenlagers II Aschendorfermoor. „Dieses Areal ist heute eine landwirtschaftlich genutzte Fläche und nicht mehr als Lager zu erkennen. Geschichte und Topographie des Ortes sind in der Nachkriegszeit unsichtbar gemacht worden. Dennoch finden sich Spuren des NS-Terrors von 1935 bis 1945 im Boden und auf dem Gelände der nahen Kriegsgräberstätte. Wir konnten diese vorhandenen Spuren mithilfe von geoarchäologischen Bodenuntersuchungen aufdecken“, so Rass.

2021 untersuchten die Studierenden die Geschichte der Kriegsgräberstätte Dalum. Bei den durchgeführten Bodenanalysen sind nicht nur neue Einblicke in die Geschichte des Lagers Dalum zutage getreten. „Deutlich wurde insbesondere die komplexe Vielschichtigkeit der materiellen Überformung solcher Orte von den 1930er Jahren bis in die Gegenwart“, erläutert Rass. So wurde die heutige Kriegsgräberstätte im Zweiten Weltkrieg von einem Lager des Reichsarbeitsdienstes zu einem Begräbnisort für mehr als 10.000 sowjetische Kriegsgefangene.

Die ehemalige Schießbahn des Lagers Esterwegen war dritter und letzter Ort für die Forschungen des Projektteams im Jahr 2022. Die Anlage diente bis 1945 als Ausbildungsstätte von SS- und SA-Wachmannschaften. Errichtet wurde die Schießbahn in den 1930er Jahren durch Zwangsarbeit der Häftlinge.

In dem heutigen Waldstück in Esterwegen untersuchten die Teilnehmenden des Kooperationsprojekts den Boden nach Überresten von Bebauung. Hierbei griffen die Studierenden und die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Universität auf hochmoderne geophysikalische und fernerkundliche Methoden zurück. Die dabei erzeugten Daten und Befunde als Ergebnisse konnten unmittelbar in die digitale Ausstellung für die Gedenkstätte Esterwegen einfließen. Darunter findet sich auch eine digitale Dokumentation der Schießbahn.

„Insgesamt sind wir sehr angetan, dass die Kooperation zwischen unserer Gedenkstätte und der Universität Osnabrück uns die Möglichkeit eröffnet hat, neues Wissen über diesen Ort zu hervorzubringen und es gleichzeitig auch für die interessierte Öffentlichkeit angemessen zu präsentieren“, betonen Koers und Weitkamp. Alle Projektteilnehmenden hätten von der intensiven und nachhaltigen Auseinandersetzung mit der Erinnerungs- und Gedenkarbeit an Orten des NS-Terrors profitiert. Dabei kombinierten sie innovative Konzepte und Methoden der Gedenkstättenarbeit und der Konfliktlandschaftsforschung mit dem historischen Wissen um die NS-Herrschaft.

Das historisch-praktische Kooperationsprojekt „Boden |Spuren. Gewaltorte als Konfliktlandschaften in der Geschichtskultur“ wurde im bundesweiten Programm „Jugend erinnert“ der Staatsministerin für Kultur und Medien gefördert.

Weitere Informationen zum Förderprogramm:
www.bundesregierung.de/gezielte-auseinandersetzung-mit-der-ns-zeit

Ansprechpartner:
Prof. Dr. Christoph Rass
AG Konfliktlandschaftsforschung
Tel.: 0541/9694912
E-Mail: christoph.rass@uni-osnabrueck.de
Web: https://nghm.hypotheses.org/category/konfliktlandschaften