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Pressemeldung

Nr. 135 / 2020

31. August 2020 : Bloß kein Stress: Redox ist überall – Wissenschaftlerin der Uni Osnabrück veröffentlicht Übersichtsartikel in Fachzeitschrift

Treten bei Organismen Ungleichgewichte im Energiestoffwechsel auf, können diese zum Tode führen. Um das zu verhindern, sind die Lebewesen in der Lage, empfindliche Komponenten des Stoffwechsels so zu modifizieren, dass sie andere Aufgabe übernehmen, um zu überleben. Die aktuellen Erkenntnisse zu diesen Prozessen hat Prof. Dr. Renate Scheibe von der Universität Osnabrück zusammen mit ihrer „Schülerin“ Dr. Jennifer Selinski, die mittlerweile einen Ruf an die Universität Kiel erhielt, in einem Übersichtsartikel zusammengefasst, der nun in der Fachzeitschrift „Antioxidants and Redox Signaling“ veröffentlicht wurde (https://doi.org/10.1089/ars.2020.8121).

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© Universität Osnabrück/ Uwe Lewandowski

Prof. Dr. Renate Scheibe, eine der vier Autoren der Redox-Historie, forscht an diesem Phänomen seit ihrer Doktorarbeit.

Alle Lebensprozesse beruhen auf einem ausgewogenen Fließgleichgewicht; das heißt, dass Stoffzufuhr und Verbrauch oder die schadlose Ableitung eines Überschusses sich den Einflüssen von innen und außen anpassen müssen, also sehr flexibel reguliert werden. Bei einer Störung im Fluss oder wenn die Stressabwehr an ihre Grenzen kommt, bedeutet dies Schädigung durch oxidativen oder reduktiven Stress oder den Tod des Organismus, es sei denn, dass durch ein rechtzeitig ausgesendetes Signal eine Anpassung initiiert und erfolgreich umgesetzt wird. Da empfindliche Komponenten des Energiestoffwechsels selbst als erste oxidativ verändert werden, übernehmen diese Proteine sofort eine neue Aufgabe und wirken als Signalüberträger, um die erforderlichen nächsten Schritte einzuleiten. Nach ihrer chemischen Veränderung nehmen diese Proteine eine veränderte Struktur an und wandern an einen anderen Ort in der Zelle, zum Beispiel in den Zellkern. Man spricht dann von „Moonlighting“ (der englische Begriff für Schwarzarbeiten), was nichts anderes heißt, als dass diese Proteine nicht mehr als Enzyme im Stoffwechsel arbeiten, sondern eine neue Aufgabe übernehmen. Sie helfen in ihrer neuen Funktion, die Zelle beziehungsweise den Organismus sinnvoll über die Krise hinwegzubringen, also zu stärken oder auch abzutöten, damit kein weiterer Schaden durch den lokal entgleisten Stoffwechsel und eine nicht zu stoppende Radikalbildung entsteht.

Die Arbeitsgruppe von Prof. Dr Renate Scheibe aus der Abteilung für Pflanzenphysiologie der Uni Osnabrück hat über Jahre hinweg diese Mechanismen auf molekularer Ebene studiert. Diese Arbeiten wurden zunächst an Pflanzen, die ihre Energie aus Sonnenlicht gewinnen, durchgeführt. Pflanzen müssen ihren Stoffwechsel an die großen Intensitätsschwankungen des Lichts und andere stark wechselnde Umweltfaktoren anpassen und sich gleichzeitig vor einem Übermaß an potentiell schädlicher Energie schützen. Die Redox-Chemie ist somit maßgebliche Grundlage für den pflanzlichen Metabolismus, was schon seit mehr als fünfzig Jahren intensiv untersucht wird. Die vier Autoren eines Übersichtsartikels in Biochim. Biophys. Acta sind die sogenannten „Dinosaurier“ der Redoxforschung, also diejenigen, die von Anbeginn bis heute noch aktiv an der Thematik arbeiten: “Fifty years in the thioredoxin field and a bountiful harvest”. Prof. Dr. Renate Scheibe, eine der vier Autoren dieser Redox-Historie, forscht an diesem Phänomen seit ihrer Doktorarbeit, als sie 1975 fasziniert wurde durch die kurzfristigen Änderungen des Aktivierungszustandes von pflanzlichen Enzymen.

„In den letzten Jahren wurden in unserer Arbeitsgruppe und auch zunehmend in anderen Gruppen Hinweise auf eine darüberhinausgehende, nachhaltige Anpassung durch Moonlighting gefunden, und dies nun tatsächlich nicht nur bei Pflanzen, sondern in allen anderen Organismen, so zum Beispiel in Hefe und in Säugetierzellen, die alle über die Redox-Kontrolle gesteuert werden. Bei Ungleichgewichten leiten auch sie in ihren Zellen das Moonlighting der zentralen Player des Energiestoffwechsels ein, das zu Anpassung, verstärktem Wachstum, Krankheit oder Zelltod führen kann“, so Prof. Dr. Renate Scheibe. Sehr viele neurogenerative Krankheiten, unkontrolliertes Zellwachstum oder auch Stammzellaktivität können mittlerweile auf diesen grundlegenden Mechanismus zurückgeführt werden.

Weitere Informationen für die Redaktionen:
Prof. Dr. Renate Scheibe, Universität Osnabrück
Abteilung Pflanzenphysiologie
Barbarastraße 11, 49076 Osnabrück
renate.scheibe@uni-osnabrueck.de