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Pressemeldung

Nr. 3 / 2021

11. Januar 2021 : Einsamkeit und Wohlbefinden abhängig vom Gesellschaftssystem - Studie der Universitäten Osnabrück und Queensland erschienen

Durch die Kontaktbeschränkungen in der Corona-Pandemie fühlen sind viele Menschen isoliert und allein. Wie einsam man sich wirklich fühlt, hängt auch vom gesellschaftlichen System ab, wie eine Studie von Prof. Dr. Julia Becker von der Universität Osnabrück in Kooperation mit der University of Queensland, (Australien) zeigt. Sie wurde unter dem Titel „Neoliberalism can reduce well-being by promoting a sense of social disconnection, competition and loneliness“ im British Journal of Social Psychology veröffentlicht.

Mann schaut aus dem Fenster, ist von hinten zu sehen Großansicht öffnen

© Universität Osnabrück / Stephan Schute

Die Autorinnen und Autoren führten die Studien in Deutschland, Großbritannien und den USA durch. Sie untersuchten, inwieweit der Neoliberalismus das individuelle Einsamkeitsempfinden beeinflusst. Unter Neoliberalismus versteht man, dass die Wirtschaft und die Gesellschaft nach den Prinzipien des freien Marktes organisiert und staatliche Interventionen in die Wirtschaft minimiert werden. Dahinter steckt die Idee, dass Fortschritt am besten durch individuelle Verantwortlichkeiten und Wettbewerbsfreiheit erzielt werden kann.  

Neoliberalismus wurde in der Studie über drei Komponenten erfasst: ökonomische Freiheit (die Wirtschaft wird über den freien Markt reguliert, es gibt wenig staatliche Interventionen), individuelle Verantwortlichkeit (jeder ist

seines Glückes Schmied, der Leistungsgedanke steht im Vordergrund), und soziale Ungleichheit (Arbeitsplätze, Wohnraum und andere gesellschaftliche Ressourcen werden im freien Wettbewerb verteilt, sodass die Stärkeren den größten Anteil bekommen).

„In der ersten Studie fanden wir heraus, dass sich diejenigen einsamer fühlten und über eine schlechtere psychische Gesundheit berichten, die die deutsche Gesellschaft stärker neoliberal wahrnahmen im Vergleich zu denjenigen, welche die deutsche Gesellschaft weniger neoliberal wahrnehmen“, so die Studienleiterin und Psychologin Prof. Dr. Julia Becker von der Universität Osnabrück.

In zwei weiteren Studien zu zentralen Aspekten einer neoliberalen Gesellschaft (ökonomische Freiheit, individueller Verantwortlichkeit und sozialer Ungleichheit) zeigte sich, dass die Vorstellung der neoliberalen Gesellschaft die Versuchsteilnehmerinnen und -teilnehmer einsamer machte und sie von einer schlechteren psychischen Gesundheit berichteten im Vergleich zu denjenigen, die sich eine sozial gerechte Gesellschaft vorstellen sollten.

Die Autorinnen und Autoren testeten ein Modell, um zu erklären, warum eine neoliberale Gesellschaft einsam machen kann: Zwei Faktoren waren zentral.
Neoliberalismus führte erstens dazu, dass sich die Menschen mehr in Konkurrenz mit anderen sahen und zweitens, dass sie das Gefühl hatten, dass sie keine sozialen Gruppen haben, die sie unterstützen. Beides führte zu Einsamkeit, welche sich wiederum negativ auf die psychische Gesundheit der Teilnehmerinnen und Teilnehmer auswirkte.

Fazit der Studien: Einsamkeit und psychische Gesundheit entstehen nicht in einem luftleeren Raum, sondern sind vom gesellschaftlichen Klima abhängig. Der neoliberale Gedanke des freien Wettbewerbs und individueller Verantwortlichkeit kann dazu führen, dass sich Menschen mehr in Konkurrenz zu anderen sehen, sich weniger von ihren sozialen Gruppen und Netzwerken unterstützt fühlen, was wiederum zu vermehrter Einsamkeit und schlechterer psychischer Gesundheit führt.

Publikation:
Becker, J.C., Hartwich, L., & Haslam, S.A. (in press). Neoliberalism can reduce well-being by promoting a sense of social disconnection, competition and loneliness. British Journal of Social Psychology.
Link: https://bpspsychub.onlinelibrary.wiley.com/doi/full/10.1111/bjso.12438

Weitere Informationen für die Redaktionen:
Prof. Dr. Julia Becker, Universität Osnabrück
Instituts für Psychologie, Sozialpsychologie
Seminarstraße 20, 49069 Osnabrück
Tel.: +49 541 969 4702 (Sekr.)
julia.becker@uni-osnabrueck.de