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Pressemeldung

Nr. 4 / 2021

12. Januar 2021 : Koloniale Bezüge bei der Entstehung der Genfer Flüchtlingskonvention von 1951 - Osnabrücker Migrationsforscherin nimmt Stellung zum völkerrechtlichen Schutz der Flüchtlinge

In diesem Jahr feiert das Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge 70jähriges Jubiläum. Die sogenannte Genfer Flüchtlingskonvention wurde 1951 verabschiedet und regelt seither völkerrechtlich den Schutz von Flüchtlingen. Seine Verabschiedung wird in der Forschung vorrangig mit den Folgen des Zweiten Weltkriegs und den frühen Auswirkungen des Kalten Krieges verknüpft. Doch welche Rolle hatte der Kolonialismus? Mit dieser Frage beschäftigt sich Prof. Dr. Ulrike Krause vom Institut für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien (IMIS) der Universität Osnabrück in einem aktuellen Aufsatz im Journal of International Relations and Development.

Der Fokus auf Europa in der Forschung beruht darauf, dass der Zweite Weltkrieg Millionen von Menschenleben forderte und zu massenhafter Flucht und Vertreibungen beitrug. Manche Staaten waren durch den Krieg kaum oder nicht in der Lage, Schutzsuchende aufzunehmen, anderen fehlte es an politischem Willen. Auch Hilfe von internationale Organisationen blieb meist unzureichend. Nach der Gründung der Vereinten Nationen 1945 sah sich die internationale Gemeinschaft in der Pflicht, die Nachkriegsflüchtlinge zu schützen. In nur sechs Jahren etablierten sie internationale Organisationen, darunter auch das Flüchtlingshilfswerk UNHCR), und ebneten den Weg für die Flüchtlingskonvention.

„Diese politischen Bemühungen zum Schutz von Flüchtlingen in und aus Europa haben die Entwicklungen zweifelsohne geprägt. Sie spiegeln allerdings nur eine Seite einer komplexen Geschichte: die eurozentrische Seite einer globalen Geschichte“, so die Migrationsforscherin.  Zu der Zeit kontrollierten Kolonialmächte weite Teile der Welt. Zudem mussten viele Menschen auch außerhalb Europas – zum Beispiel in China, Indien, Pakistan und Korea – fliehen, teils bedingt durch Kolonialismus. „Vereinzelte Studien zeigen zwar, dass die internationale Gemeinschaft sehr unterschiedlich auf Flüchtlinge in und außerhalb Europas reagierte. Einflüsse von kolonialen Strukturen auf die Entstehung der Flüchtlingskonvention sind indes wenig beachtet“, erläutert Krause in ihrem Aufsatz.

Nach der Vorbereitung eines Entwurfs der Konvention in den Vereinten Nationen riefen sie eine Konferenz im Juli 1951 ein, auf der Staaten die Konvention diskutierten und verabschiedeten. Ulrike Krause analysiert die Debatten der Staaten und belegt den Einfluss historischer Machtkonstellationen und kolonialer Verstrickungen. Von Anfang an war die Zusammensetzung der Staaten, die zur Konferenz eingeladen waren und daran teilnahmen, von kolonialen Machtverhältnissen geprägt.

„Kolonisierte Gebiete wurden nicht eingeladen und somit ausgeschlossen, stattdessen durch die Kolonialmächte vertreten“, schreibt die Osnabrücker Migrationsforscherin. Auf der Konferenz dominierten koloniale und imperiale Staaten die Debatten. Obwohl mehr teilnehmende Staaten eine universelle Flüchtlingsdefinition befürwortete, die also Schutz für alle Flüchtlinge weltweit bereitstellen würde, bestanden einige mächtige Staaten darauf, die Definition auf Flüchtlinge in Europa zu begrenzen. Dass diese Staaten ihr Ziel erreichten, zeigt der verabschiedete Konventionstext.

„Damit wurde der ‚wahre‘ Flüchtling als einer in oder aus Europa festgeschrieben, was gleichwohl die ‚anderen‘ Flüchtlinge und Regionen vernachlässigte“, so Krause. „Dieser Ausschluss beruhte keineswegs auf mangelnden Wissen der Staaten über Flucht weltweit. In Diskussionen erkannten alle teilnehmenden Staaten die weltweit auftretende Flucht an, manche nutzten dies aber, um ihre Interesse zu verfolgen und den Fokus auf Europa zu fordern. Dies führte dazu, dass westliche Belange über weltweite gestellt wurden, was Folgen für den Flüchtlingsschutz in den kommenden Jahren nach sich zog.“

Publikation: Krause, Ulrike (2021), 'Colonial Roots of the 1951 Refugee Convention and its Effects on the Global Refugee Regime', Journal of International Relations and Development, online first,https://doi.org/10.1057/s41268-020-00205-9

Weitere Informationen für die Redaktionen:
Prof. Dr. Ulrike Krause, Universität Osnabrück
Institut für Migrationsforschung
und Interkulturelle Studien (IMIS)
Seminarstraße 19 a/b, 49074 Osnabrück
Tel.: +49 541 969 4140
ulrike.krause@uni-osnabrueck.de