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Große Werke, überraschende Arrangements

Sinfonieorchester der Universiät Osnabrück feiert 25-jähriges Bestehen

Jubiläumskonzert für ein Vierteljahrhundert Orchesterleben an der Uni – Italienischer Komponist widmet musikalisches Werk – Musikdirektorin übergibt Taktstock an Nachfolger

Hinweis

Das Konzert ist bereits ausgebucht.
Plätze ohne Voranmeldung gibt es noch für die Generalprobe am Samstag, 3. November, um 18 Uhr.

Pressemeldung
(29.10.2018)

50 Semester, circa 100 Konzertprogramme mit rund 500 Werken, über 1000 Proben und mehrere Hunderte Mitwirkende – diese Sinfonie an Zahlen klingt nach einem guten Anlass zum Feiern: Am Sonntag, 4. November, lädt das Sinfonieorchester der Universität Osnabrück zum Jubiläumskonzert in die Osnabrücker Schlossaula ein.

Von 11 bis 13 Uhr entführen aktuelle und ehemalige Musikerinnen und Musiker des Orchesters ihr Publikum in die Welt romantischer Klassiker, der Filmmusik, in zeitgenössische Werke – und nicht zuletzt in eine eigens dem Jubiläum gewidmete Komposition des italienischen Komponisten Flavio Colusso: Die Vertonung der Ersten Römischen Elegie Goethes für Sopran (Solistin: Sigrid Heidemann) und Orchester.

Gleichzeitig wird es weinende und lachende Augen geben an diesem besonderen Tag: Die Dirigentin und Universitätsmusikdirektorin (UMD) Dr. Claudia Kayser-Kadereit nimmt das Jubiläum zum Anlass, ihren Taktstock in die Hände ihres Nachfolgers Joachim Siegel zu übergeben.

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Hörproben

Neugierig auf das Programm? Auswahl aus Aufnahmen des Orchesters

Hintergrund

Studierende und ihre Dirigentin: Das Sinfonieorchester im Film-Portrait (2014)

Interview

Wie Musik entsteht: Komponist Colusso und UMD Kayser-Kadereit im Gespräch

Sie sind bereits neugierig auf die Musik?

Eine kleine Auswahl an Aufnahmen des Orchesters bietet einen ersten Eindruck:

Zum Hintergrund: Das Orchester und ihre Gründerin

Video ansehen: Das Sinfonieorchester im Film-Portrait (2014)

Im November 1993 gründete Dr. Claudia Kayser-Kadereit das Sinfonieorchester der Universität Osnabrück. Die Musikpädagogin war 1992 als wissenschaftliche Mitarbeiterin neu an das Institut für Musikwissenschaft und Musikpädagogik gekommen. Schnell fand sie zahlreiche Mitstreiter für ihre Idee einer sinfonischen Besetzung, denn bis dahin hatte es an der Universität nur zwei kleine parallel arbeitende Streicherensembles gegeben. Waren größere Besetzungen nötig, wurden Bläser von außen hinzugeholt.

Bereits sechs Wochen nach der Gründung fand zu Weihnachten das erste Konzert in der Schlossaula statt. Seither beschreitet das Orchester in Osnabrück und weit darüber hinaus neben traditionellen auch innovative Wege der Programmgestaltung und Konzertpräsentation.

Und was bedeutet das Ensemble für die Studierenden? „Die sinfonische Besetzung fand sich im November 1993 aus dem Stand ein und kann bis heute auf freiwilliger Basis stets erreicht werden. Das unterstreicht einmal mehr die Binsenweisheit, dass Studierende, die ein Orchesterinstrument spielen, auch in einem Orchester musizieren wollen. Ein Universitätsorchester bietet zudem den Blick über viele Zäune - und hilft manchem Erstsemester, neue soziale Kontakte zu knüpfen“, resümiert die engagierte Dirigentin.

Mehr Informationen zu UMD Dr. Claudia Kayser-Kadereit
Webseite des Instituts für Musikwissenschaft und Musikpädagogik

So klingt die Ewige Stadt

Komponist Flavio Colusso und UMD Claudia Kayser-Kadereit im Interview

Komponist mit Partitur: Flavio Colusso beim Besuch an der Uni. Foto: Universität Osnabrück/Frank Muscheid

Zwei Jahre nach seinem Werk „Feuer Erde Wasser Luft“ hat der römische Dirigent und Komponist Flavio Colusso dem Sinfonieorchester der Universität Osnabrück und seiner Leiterin, UMD Dr. Claudia Kayser-Kadereit, erneut eine Komposition gewidmet: eine Vertonung der Ersten Römischen Elegie des Dichters Johann Wolfgang von Goethe (1749 - 1832).

Die Uraufführung mit dem Sinfonierochester fand im Rahmen einer kleinen Konzerttournee und Werken von Mendelssohn, Nielsen, Wagner, Grieg, Mussorgsky sowie Humperdinck am 30. Juni und 1. Juli an der Universität Braunschweig und im VHS-Zentrum Hamburg-Ost statt. Anlässlich seines 25-jährigen Bestehens kommt das Uni-Sinfonieorchester aber am 4. November auf die Bühne der Schlossaula zurück, um sich und das jüngste Werk Colussos zu feiern. Wir haben die Universalmusikdirektorin und den Dirigenten aus Rom zur deutsch-italienischen Musikkooperation interviewt.

Wie lief die erste Probe mit unserem Sinfonieorchester?

Flavio Colusso: Es lief sehr gut. Dieses Orchester ist voller Enthusiasmus. Es ist für mich ungewöhnlich, mit jungen Nachwuchsmusikern zu arbeiten und eine tolle Erfahrung, ein Kontrast zu meiner üblichen Arbeit. Das Ensemble Seicentonovecento, das sich alter römischer Musik widmet, habe ich 1985 mitgegründet. Es schlägt eine Doppelbrücke zwischen dem 16. und 19. Jahrhundert. Hinter dem aktuellen Projekt mit der Uni Osnabrück steht die Idee, dass ein junges, modernes Orchester alte Musik spielen soll – und der europäische Netzwerkgedanke.

Claudia Kayser-Kadereit: Wir wollen etwas für die europäische Kultur und den europäischen Austausch unserer Studierenden tun. Musik war immer europäisch – gerade die deutsch-italienische Verbindung hat nie nach Grenzen gefragt. Dass die „Römischen Elegie“ Ihnen und den jungen Sinfonikern der Universität gewidmet ist, spricht für eine ausgesprochen gute Zusammenarbeit.

Wie ist sie zustande gekommen?

Claudia Kayser-Kadereit: Bei einem Forschungsaufenthalt in Rom in der Casa di Goethe im Jahr 2015 habe ich eines der Konzerte von Flavio Colusso und seinem Ensemble Seicentonovecento in der Villa Lante besucht – eigentlich, weil dort ein Flügel steht, den Franz Liszt in Rom benutzt hat. Neben Colussos eigenen Werken war auch alte Musik von Giacomo Carissimi zu hören. Das Notenmaterial gehört zur Sammlung des römischen Geistlichen Fortunato Santini, der im 18. und 19. Jahrhundert ein europäisches Musiker-Netzwerk pflegte. Sie waren mindestens so gut vernetzt wie wir. Die Original-Noten liegen heute in der Diözesanbibliothek Münster. Neben einer ersten Konzerteinladung im Mai 2016 haben Flavio und ich schon vereinbart, gemeinsam diese musikalischen Schätze zu heben. Ich regte ihn an, die erste Römische Elegie von Goethe zu vertonen.

Proben mit Orchester und Solistin Sigrid Heidemann.

Herr Colusso, haben Sie sich gleich mit der Aufgabe identifiziert?

Flavio Colusso: Zuerst war ich etwas skeptisch. Ich kenne zwar Goethe, habe aber nie mit deutscher Sprache gearbeitet – es war für mich eine Premiere und sehr spannend.

Sind Sie zufrieden mit dem Ergebnis? J

Ja, ich bin wirklich stolz. Um ein Gefühl für Poesie und Klang zu bekommen, ist es wichtig, die Aussprache zu kennen – das war mein erstes Hindernis. Die Sängerin Sigrid Heidemann hat den Text zuerst gelesen und mir eine Aufzeichnung geschickt, so konnte ich die Musik Silbe für Silbe zusammensetzen. Und ihr das Stück „auf die Stimme“ schreiben.

Claudia Kayser-Kadereit: Die Sprache war Flavio fremd. Aber mit Vorsprechen hat er es kongenial vertont, wie ich finde. Für das Orchester ist es eine tolle Erfahrung, direkt mit dem Komponisten zu arbeiten und seine Vorstellung zum Werk unmittelbar zu erfahren.

Wie bringen Sie Goethes Assoziationen und die Stadt Rom zum Klingen?

Goethe geht es in der Elegie darum, dass er als Bildungs-„Tourist“ kommt, sich seine individuelle Erfahrung und Sichtweise auf die Stadt aber durch die Liebe verändert. Eine Stadt sieht ganz anders aus, wenn man verliebt ist. Das hat Flavio sehr schön von den Orchesterfarben her vertont.

Die Dirigentin und der Komponist beim Partiturstudium.

Was hat Sie an Goethes Werk inspiriert, wie haben Sie den Zugang gefunden, Herr Colusso?

Flavio Colusso: Mein Zugang war, nicht nur die Worte in Musik zu fassen, sondern was diese Worte inspiriert hat – Rom! Rom kenne ich sehr, sehr gut – ich komme aus dieser Stadt und lebe in ihr. So kann ich die Erfahrung, die Goethe gemacht hat, nachempfinden.

Erklären Sie uns Rom.

Rom ist einzigartig und gleichzeitig vielgestaltig – viel mehr als eine pulsierende Metropole, eine Völker verbindende Idee, ein Inbegriff der europäischen Kultur. Im Altertum war die Stadt, was heute vielleicht New York für die Weltgemeinschaft ist. Eine Definition von Verschiedenartigkeit, Religionen, Völkern, mit- und nebeneinander existierenden Kulturen und verschiedenen Menschen, die zusammen leben und arbeiten. Rom ist unsere gemeinsame kulturelle Wurzel, das Zentrum der antiken Welt. Rom hat viele Zentren. Wir hören in Rom zum Beispiel Glocken von hunderten Kirchen – Rom hat etwa 900 Kirchen aller Konfessionen und die größte Anzahl kultureller Institutionen. Das versuche ich auch in meiner Musik zu verarbeiten.

Wie schlägt sich das in diesem Stück nieder?

Flavio Colusso: Ich habe meine Musik, auch meine „Römische Elegie“, auf drei Säulen gebaut: rispetto-affetto-amore: Respekt, Gefühl und Liebe. Der Respekt besteht aus musikalischen Zitaten und Anklängen an die römische Kultur- und Musikgeschichte: Monumente, Glocken und Atmosphäre werden im Text und in der Musik repräsentiert. Goethe beginnt mit den Worten „Saget, Steine, mir an“ – als Symbol für Monumentales, für Architektur, Geschichte und Ewigkeit, aber auch für Philosophie und die Suche nach Inspiration – meine Musik folgt anfangs einem klaren, festen und traditionellen Muster und Taktschema, teilweise spricht die Sängerin den Text. Im Gefühl wird es unmittelbarer, sind Sängerin und Orchesterteile wie Objekt und Subjekt im Dialog. Ich arbeite hier die Erfahrung der Stadt ein, die ich sehr gut kenne – und die auch auf den Dichter gewirkt haben muss. Man soll nachfühlen, wie sich Goethe hat inspirieren lassen. In der Liebe wird die Grenze zwischen Objekt und Subjekt aufgehoben, es entsteht ein neues musikalisches Gebilde. Rom wird zum Lebensgefühl. Hier versuche ich mich musikalisch in die gegenseitige Beziehung zwischen der Stadt und Goethe hineinzuversetzen.Goethe wird in Wort und Musik ein Teil Roms, und umgekehrt.

Lässt sich das Werk auf einen Stil festlegen?

Flavio Colusso: Nein. Stilistisch mische ich viele Epochen. Man hört Rom, man hört Puccini, man hört Palestrina, die italienische Oper – meine Komposition greift das kulturelle Erbe auf und bleibt trotzdem modern und eigenständig.

Wie lange haben Sie am Werk gearbeitet?

Flavio Colusso: Einen Monat, im April 2018, habe ich daran gearbeitet, Ende Juni haben das Orchester und ich noch einmal eine Woche daran gefeilt.

Claudia Kayser-Kadereit: Das Stück enthält Bläser, Streicher, pointierte Perkussion, wie europäische Ohren es gewohnt sind, und ist im Detail doch sehr individuell. Goethe sieht nicht mehr nur als Tourist die Paläste an – sondern hofft, durch dann vertraute Straßen immer wieder eine Freundin zu besuchen, er sucht gewissermaßen nur noch Amors Tempel auf. Der Kosmos Rom und der individuelle Mensch – das ist ein spannender Kontrast, der auch heute noch gilt. Das haben wir 2016 auf der musikwissenschaftlichen Exkursion auch in Rom mit den Studierenden nachzuempfinden versucht – die Geschichte von Orten wie der Kirche Santa Maria dell’Anima aufzusaugen, deren Kapellmeister Flavio ist, während die Studierenden des Collegium musicum als Kammerorchester dort musiziert haben – das ist eine andere, tiefere Erfahrung im Studium, darum geht es mir.

Also ein kultureller und musikwissenschaftlicher Gewinn für unsere Uni?

Claudia Kayser-Kadereit: Die Brücke zu schlagen zwischen vielen Nationen und Rom mit seiner Kirchenmusik, den unglaublichen Schätzen in den Archiven und dem Künstler-Netzwerk quer durch Europa – das haben Kunst, Kultur und vor allem die Musik immer getan, und das macht Flavio aktuell mit seiner Musiksprache. Wir haben mit ihm wirklich einen starken Partner für Alte Musik gefunden. Diese Zusammenarbeit wollen wir in Zukunft noch vertiefen. Zu Santinis Zeiten schickte man sich Noten auf dem Postweg, heute ist es zum Glück einfacher.

Herr Colusso, Was bedeutet für Sie Osnabrück – und hier zu arbeiten?

Flavio Colusso: Ich bin hier glücklich – ein Komponist in einem zweiten Zuhause. Ich arbeite hier wie in einer Familie. Osnabrück ist eine vergleichsweise kleine Stadt, aber Teil Roms. Und Rom ist Teil Osnabrücks.

Vielen Dank für dieses Gespräch!