Hauptinhalt

Topinformationen

15. Dezember 18:00 - 20:30Buchvorstellung und Diskussion: Wahrheit und Revolution. Studien zur Grundproblematik der Marxʼschen Gesellschaftskritik.

Ort: Online

Veranstalter: Institut für Sozialwissenschaften

Kategorie: Vorträge

ReferentInnen: Matthias Bohlender, Anna-Sophie Schönfelder, Matthias Spekker, Jan Gerber |

Marx entwickelte seine Gesellschaftskritik mit einem wissenschaftlich fundierten Anspruch auf Wahrheit. Zugleich aber begreift diese Kritik die kapitalistischen Verhältnisse immer schon im Lichte ihrer möglichen revolutionären Umwälzung. Wie passt das zusammen?

Wenn es Marx darum ging, mittels begrifflichen Denkens zu allgemeingültigen, notwendigen Urteilen zu gelangen, wie fügt sich darin dann sein ständiges Ermitteln antagonistischer Konstellationen des Klassenkampfs ein, wie der Niederschlag revolutionärer Annahmen selbst in der Architektur und den Begriffen seiner wissenschaftlichen Darstellung? Die These des Buches ist, dass es gerade den Kern des Marxʼschen Denkens ausmacht, theoretische Kritik und revolutionäre Perspektive nicht voneinander zu trennen, sondern sie als einander bedingend zu begreifen. Genau diese Verbindung aber wurde in der Geschichte der Marx-Interpretation oft als unsystematisch und gefährlich angesehen, bestritten oder gar nicht erst erkannt. Entgegen solcher Verdrängung des inwendigen Zusammenhangs, in dem Wahrheit und Revolution im Marxʼschen Denken stehen, nimmt das Buch diese Spur wieder auf: Es untersucht, wie sich Marxʼ wissenschaftliche Argumentation gerade auch in seinem politischen Einsatz für eine kommunistische Revolution entwickelt hat, und zeigt auf, dass sein spezifisches Kommunismusverständnis eine epistemische Voraussetzung seiner wissenschaftlichen Kritik darstellt.

Dies zu vergegenwärtigen, soll nicht allein zu einem ‚vollständigeren‘ Bild seines Werks beitragen, sondern vor allem auch offenlegen, mit welchen immanenten Problemen eine Gesellschaftskritik konfrontiert ist, die sich heute noch mit guten Gründen auf Marx berufen will: Sie muss u.a. reflektieren, 1) dass Marxʼ wissenschaftliche Darstellung der bürgerlichen Verhältnisse, deren Wahrheitskriterium durch ihre noch ausstehende revolutionäre Aufhebung vermittelt ist, vom real folgenden verheerenden Geschichtsverlauf nicht unberührt bleiben konnte, sondern einen Zeitkern hat; 2) dass Marx erkannte, dass der Klassenkampf autoritär stillgestellt werden kann, er diese Erkenntnis aufgrund seines Fokus auf eine historische Notwendigkeit der Revolution aber kaum ernst nahm und somit seine Gesellschaftskritik dem Autoritarismus wenig entgegenzusetzen hat; und 3) dass Marx, indem er einseitig die historische, materielle Entwicklung als notwendigen Motor der Entstehung revolutionärer Subjektivität herausarbeitete und so die Reflektion auf die gewaltförmige prozedurale Einschreibung überindividueller Wahrheit in die Subjekte abwehrte, eine Lücke hinterlassen hat, die seither immer wieder von autoritär-kommunistischen Parteikonzepten gefüllt werden sollte.

Die AutorInnen Matthias Bohlender, Anna-Sophie Schönfelder und Matthias Spekker haben zusammen an der Universität Osnabrück im DFG-Forschungsprojekt „Marx und die ‚Kritik im Hand­gemenge‘. Zu einer Genealogie moderner Gesellschaftskritik“ gearbeitet.

Mit ihnen diskutiert der Historiker und Politikwissenschaftler Jan Gerber. Er leitet am Dubnow-Institut Leipzig die Forscher­gruppe „Eine neue Geschichte der Arbeiter- und Gewerkschafts­bewegung“ und hat 2018 das Buch „Karl Marx in Paris. Die Entdeckung des Kommunismus“ im Piper-Verlag veröffent­licht.

BigBlueButton-Meeting in StudIP. Externe Teilnehmer*innen können die Zugangsdaten unter der Email-Adresse wwwmarx (at) uni-osnabrueck.de anfordern.