Wenn man sich den Weihnachtsmann oder Santa Claus vorstellen soll, malen sich die meisten wahrscheinlich einen Mann aus, der dem Werbemaskottchen eines namhaften Getränkeherstellers (seit 1931) nicht unähnlich sein wird. Inspiration für diese innovative Werbefigur soll unter anderem das Gewand des heiligen Nikolaus aus dem 4. Jahrhundert gewesen sein. Doch können wir überhaupt gesichert etwas zu diesem Mann sagen, oder fällt seine Geschichte eher in die Kategorie der Legendenbildung?
Keine zeitgenössische Darstellung berichtet uns von einem Bischof Nikolaus von Myra. Erst die „Stratelaten-Legende“ aus justinianischer Zeit ordnet sein Wirken in die erste Hälfte des 4. Jh., während der Regierungszeit des Kaisers Konstantin, ein. Weitere mittelalterliche Berichte ergänzen das Bild unseres heutigen Nikolaus’. Einen großen Einfluss hatte dabei die Lebensbeschreibung des Nikolaus von Sion von Simeon Metaphrastes, der das Leben des 564 verstorbenen Bischofs von Pinara mit dem des Bischofs von Myra vermischte. Wichtig hierbei erscheint, dass es keine Legende ohne Kult gäbe und der Bischof von Myra scheinbar zu Zeiten Simeons bereits verehrt wurde.
Nach der hagiographischen Darstellung wurde Nikolaus von Myra um 280 in Patara, in Lykien, in der heutigen Türkei aus wohlhabendem Hause stammend geboren, und mit 19 Jahren von seinem gleichnamigen Onkel zum Priester geweiht. Später wurde er zurück von seiner Pilgerreise aus dem Heiligen Land zum Bischof von Myra gewählt. Angeblich nahm er auch am ersten großen Konzil der christlichen Kirche in Nicäa 325 teil und soll dabei entschieden gegen Arios – dem Namensgeber des Arianismus – aufgetreten sein. Die unvollständigen Namenslisten des Konzils führen allerdings keinen Nikolaus von Myra auf. Aufzeichnungen des zweiten Konzils von Nicäa 787 halten allerdings fest, dass dieser einem Diakon im Traum erschienen sein soll. Das bedeutet, dass der Kult um die Geschichte Nikolaus’ im späten 8. Jh. Bestand gehabt haben muss, was auch die Verbreitung des Namens nahelegt. Schon im 5. – 7. Jh. häuft sich der Name im Umkreis um Myra, dann auch außerhalb Lykiens und schließlich im 9. Jh. im byzantinischen Einflussbereich und folglich auch zunehmend im Westen.
Auch wenn exakte Aussagen darüber schwerfallen, weshalb sich die Geschichte des Nikolaus solcher Beliebtheit erfreute und sich ein Kult entwickelte, könnte man doch Vermutungen darüber aufstellen.
Einerseits berichtet eine Legende darüber, wie Nikolaus gegen pagane Götter vorging und unter anderem den Tempel der Artemis (Diana) Eleuthera in Myra abgerissen haben soll. Außerdem soll er während der Christenverfolgungen ab 303 unter Galerius und Diocletian wegen seines Glaubens gefangen genommen und gefoltert worden sein. Beide Geschichten zeugen von einem Mann, der bereit war, seinen christlichen Glauben zu verteidigen und gegen pagane Götter vorzugehen und damit die Festigung und Verbreitung eines christlichen Glaubens zu unterstützen.
Andererseits könnte sich der Erfolg des Nikolaus mit den ihm zugeschriebenen christlichen Werten erklären. Ein wichtiger Bestandteil der Legenden ist dabei die Nächstenliebe und Fürsorge, die der Bischof von Myra aufbrachte. So soll er sein eigenes familiäres Erbe verwendet haben, um anderen, schlechter Gestellten zu helfen. Ein innovativer Gedanke in der antiken Welt. Denn Armenfürsorge war im Römischen Reich nicht besonders bekannt und fand erst durch das Erstarken des christlichen Glaubens weitere Verbreitung.
Da trifft es sich doch, einen Heiligen zu haben, der genau für diese innovativen Werte einsteht, und dessen Kult- und Legendenstatus christliche Werte „bewerben“ konnte. Man könnte sagen, dass das ikonographische Bild des heiligen Nikolaus aus dem 4. Jh. als Inspirationsquelle für die moderne Werbefigur des Getränkeherstellers diente, während im Mittelalter sein Bild als Verkörperung christlicher Werte zur Bewerbung und Festigung eines Glaubens diente.
Friedrich W. Brüggemann
Bildnachweis: Das älteste Nikolausbild im Westen: Die Nikolaus-Ikone von Aachen-Burtscheid.
// Joachim Schäfer – www.heiligenlexikon.de/BiographienN/Nikolaus_von_Myra.htm