B1 | Die Produktion von (Im-)Mobilität: Das Visum als Grenzinfrastruktur
B1 | Die Produktion von (Im-)Mobilität: Das Visum als Grenzinfrastruktur
Das Teilprojekt analysiert die Funktionsweise des Visums vor dem Hintergrund des deutschen und europäischen Rechts. Das Visum bildet seit mehr als einhundert Jahren ein zentrales Element der Grenzinfrastruktur. Es ist damit an der Produktion von (Im-)Mobilität in Form einer präventiven Steuerung des Zugangs und Aufenthalts von ausländischen Staatsangehörigen beteiligt. Das Visum stellt einen Mobilitätsfilter dar, bei dem die Prüfung einer Aufenthaltsberechtigung bereits in Botschaften und Konsulaten in der Herkunftsregion potenzieller Reisender und Migrant:innen stattfindet. Auf diese Weise wird vor dem Hintergrund der Bedeutungen, die räumlicher Mobilität in komplexen gesellschaftlichen Aushandlungsprozessen zugemessen wird, eine Kontrolle und Sortierung von Migration vor der eigentlichen grenzüberschreitenden Bewegung ermöglicht.
Das Teilprojekt untersucht anhand einer rechtsdogmatischen und einer rechtssoziologischen Studie Selektionsmechanismen in der Bearbeitung und Erteilung von Visa für Kurzaufenthalte sowie von Visa im Kontext von Erwerbs- und Ausbildungsmigration. Auf diese Weise sollen die hinter den gesetzlichen Vorschriften stehenden Selektionskriterien sowie ihre Anwendungsspielräume herausgearbeitet werden.
Die rechtsdogmatische Untersuchung befasst sich mit dem Schengen-Visum als Instrument zur Ermöglichung kurzfristiger Mobilität im Schengen-Raum. Durch den Einfluss von Rechtsprechung, sich verändernden rechtlichen Rahmenbedingungen und politischen Reformen haben sich die Anforderungen an die Voraussetzungen für die Erteilung sowie die Praxis der Vergabe erheblich gewandelt. Mit Fokus auf die Filterfunktion des Schengen-Visums werden die Kriterien analysiert, die darüber entscheiden, wem kurzfristige Mobilität ermöglicht oder verwehrt wird. Im Zentrum stehen dabei die rechtlichen Voraussetzungen wie insbesondere die Bewertung der Rückkehrbereitschaft sowie Fragen des Rechtsschutzes im Visumverfahren.
Die rechtssoziologische Untersuchung widmet sich den Selektionsmechanismen, die Recht und Verwaltung beim Zugang zu deutschen Visa für Erwerbs- und Ausbildungszwecke hervorbringen. Ausländische Personen müssen dafür bereits im Visumverfahren sämtliche an den Aufenthaltszweck geknüpfte Voraussetzungen erfüllen. Dabei greifen sowohl rechtlich festgelegte Auswahlkriterien als auch subjektivere Faktoren, die durch die Bearbeitung und Entscheidungen von Sachbearbeitenden in den beteiligten Behörden wirksam werden. Zugleich sind Visumverfahren und -erteilung stets eingebettet in globale Macht- und Ungleichheitsstrukturen, die rechtliche Kriterien sowie subjektive Bewertungen beeinflussen. Vor dem Hintergrund kürzlicher Reformen zur Fachkräfteeinwanderung und unter Anwendung verschiedener qualitativer Methoden werden explizite wie implizite Dimensionen der Selektion analysiert.
In der Kombination dieser Untersuchungen wird herausgearbeitet, wie das Visum als selektierendes Instrument zur Steuerung von Mobilität und Migration beiträgt.