Juniorprofessur ›Migration und Integration der Russlanddeutschen‹

Förderung: Die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien

Laufzeit: 2014 bis 2022

Personen: Jun. Prof. Dr. Jannis Panagiotidis (2014 bis 07/2020), Dr. Anna Flack (2015 bis 12/2021), PD Dr. Hans-Christian Petersen (Gastprofessur, 04/2021 bis 03/2022)

Die mit ihrer Ausrichtung in Deutschland einzigartige Juniorprofessur „Migration und Integration der Russlanddeutschen“ betreibt innovative, interkulturell und interdisziplinär ausgerichtete Migrationsforschung zu den Russlanddeutschen in Geschichte und Gegenwart. Sie wird von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) gefördert und ist am Institut für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien (IMIS) sowie am Historischen Seminar der Universität Osnabrück angesiedelt.

Russlanddeutsche Geschichte ist ein fester Bestandteil der europäischen Siedlungs- und Migrationsgeschichte des 18.-20. Jahrhunderts und wird in diesem Rahmen in den Kontexten von Siedlungskolonialismus, transatlantischer Migration, Zwangsmigration und Ost-West-Migration verortet. Aus diesem Ansatz folgt eine Fokussierung auf geographisch distinkte Räume, die durch die Migrationsbewegungen deutscher Siedler und ihrer Nachfahren in Beziehung zueinander gesetzt wurden: Deutschland bzw. das deutschsprachige Mitteleuropa, verschiedene Regionen des Russischen Reiches bzw. der Sowjetunion sowie Nord- und Südamerika. Auf diese Weise wird die Forschung zur Geschichte und Gegenwart der Russlanddeutschen als Teil moderner transnationaler Geschichtsschreibung und Migrationsforschung verankert.

Einen weiteren Forschungsschwerpunkt bilden die Beheimatungs- und Integrationsstrategien von Russlanddeutschen in der Bundesrepublik. Dabei spielt die Untersuchung des konkreten Alltags eine wichtige Rolle. Anhand von kulturellen Praxen wie z. B. Sprache, Religion, Kleidung, Wohnung, Musik, Literatur und Ernährung lassen sich kultureller Wandel und Identitätskonstruktionen nachvollziehen sowie mit anderen Migrantengruppen und Ländern vergleichen.

Ihre Forschungsergebnisse vermittelt die Juniorprofessur mittels nationaler und internationaler Publikationen und Tagungen sowie durch eng mit der Forschung verzahnte Lehre. Im Rahmen von Lehrveranstaltungen des Masterstudiengangs Internationale Migration und Interkulturelle Beziehungen (IMIB) werden historische sowie methodische Kenntnisse vermittelt, welche die Studierenden selbst zu Forschungen im Arbeitsfeld Migration und Integration befähigen. Weiterhin ist die Juniorprofessur fest in die interdisziplinäre Arbeit des IMIS eingebunden, beispielsweise durch Beteiligung am Graduiertenkolleg „Die Produktion von Migration“.

Die Forschung der Juniorprofessur „Migration und Integration der Russlanddeutschen“ ist in der historischen, sozialwissenschaftlichen und der kulturanthropologischen Migrationsforschung verortet.

Hans-Christian Petersen arbeitete an einer Biographie Karl Stumpps (1896-1982). Karl Stumpp ist bis heute die zentrale Figur russlanddeutscher Geschichts- und Identitätspolitik. Sowohl in der Zwischenkriegszeit als auch nach 1945 kam ihm eine Schlüsselrolle bei der Konstituierung des Forschungsfeldes und bei der Gründung russlanddeutscher Interessensorganisationen zu. Während des Zweiten Weltkriegs leitete er nach dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion das „Sonderkommando Dr. Stumpp“, das ‚rassische‘ Erfassungen der Bevölkerung in der besetzten Ukraine durchführte. Eine fundierte biographische Arbeit zu seiner Person stellt nach wie vor ein Desiderat der Forschung dar, das mit dem Projekt geschlossen werden soll.

In ihrem Dissertationsprojekt untersuchte Anna Flack Russlanddeutsche im westsibirischen Barnaul. Anhand des Ernährungsverhaltens einzelner Fallbeispiele wird nachvollzogen, welche materiellen Bedingungen sowie kulturellen und sozialen Orientierungen und Verhaltensweisen nicht ausgesiedelte und remigrierte Russlanddeutsche für die Konstruktion von Zugehörigkeiten nutzen. Die Studie veranschaulicht u.a. wie vielfältig, situationsabhängig und sogar widersprüchlich Zugehörigkeiten sein können. Dies ist auch im Kontext der Migrationsgesellschaft Deutschlands relevant.

Der ehemalige Inhaber der Professur, Dr. Jannis Panagiotidis, hat mit seinen Monographien The Unchosen Ones: Diaspora, Nation, and Migration in Israel and Germany und Postsowjetische Migration in Deutschland: eine Einführung grundlegende Arbeiten zum Thema der (Spät-)Aussiedlermigration in historischer und gegenwartsbezogener vergleichender Perspektive vorgelegt. Der Sammelband Jenseits der Volksgruppe: Neue Perspektiven auf die Russlanddeutschen zwischen Russland, Deutschland und Amerika (hg. mit Victor Dönninghaus und Hans-Christian Petersen) legt die Grundlagen für eine epochen- und regionenübergreifende, transnationale, globale und verflechtungsgeschichtliche Beschäftigung mit dem Forschungsfeld Russlanddeutsche.