Ravenna (5.-8. Dezember 2019)

Laurentius-Mosaik im Mausoleum der Galla Placidia.
© Alte Geschichte OS
Laurentius-Mosaik im Mausoleum der Galla Placidia.

Vom 5.-8. Dezember machte sich die Reisegruppe der Alten Geschichte auf den Weg ins norditalienische Ravenna, um in die spätantike und frühchristliche Geschichte der Stadt einzutauchen. Bedeutung für die Antike kommt der Stadt zum einen durch die Errichtung eines Flottenstützpunktes in Classe in augusteischer Zeit zu. Zum anderen hatte Honorius, der Sohn des Theodosius I., aufgrund verteidigungsstrategischer Überlegungen zu Beginn des 5. Jh. seinen Herrschaftssitz nach Ravenna verlegt und die Stadt somit zur zweiten Reichshauptstadt Westroms gemacht, wobei – so unsere im Laufe der Exkursion aufgestellte These – Rom zumindest symbolisch die Nummer 1 blieb.

Auf unserem Programm stand am ersten Tag nach der Ankunft das Nationalmuseum. Dies bot uns neben einem beeindruckenden, vermutlich aus der Zeit des Claudius stammenden Relief, das nach dem Modell der Ara Pacis gestaltet war, vor allem die Möglichkeit, zahlreiche Grabsteine von ehemaligen Mitgliedern der ravennatischen Flotte zu erschließen.

Am Nikolaustag starteten wir unsere Erkundung der Stadt mit dem sogenannten Palast des Theoderich, von dem nur noch Überreste vorhanden sind. Anschließend ging es in die Basilica Sant’Apollinare Nuovo, die am Ende des 5. oder vielleicht zu Beginn des 6. Jh. eingeweiht wurde. Hier fesselte uns das Mosaik mit je einer Prozession männlicher und weiblicher Heiliger zwei Stunden lang, da wir nicht eher zufrieden waren, bis wir die Lebensdaten aller dargestellten Märtyrer recherchiert und zu einer sinnergebenden These über die Auswahl der Figuren verdichtet hatten. Weiter ging es zum Mausoleum des Theoderich, einem gewaltigen Bauwerk, dessen Besichtigung in situ half, die Lagebedingungen der Stadt in einem Sumpfgebiet und die durch zahlreiche Überschwemmungen im Laufe der Jahrhunderte herbeigeführte Anhebung des Bodenniveaus um über 3m einzuordnen. Der zweite Tag unserer Reise führte uns am Nachmittag vor die Tore Ravennas nach Classe, wo sich der antike Militärhafen befand. Wir besuchten das Museum Classis, welches den Versuch unternimmt, die Geschichte der Region im Sinne einer Identitätsstiftung zu beleuchten, sowie die Basilica Sant’Appolinare in Classe, die im 6. Jh. erbaut und geweiht wurde.

An Tag 3 begrüßte uns die italienische Sonne und wärmte die Gesichter bei unserer langen Diskussion an der Porta Aurea. Denn es stellte sich hier die Frage, wann Ravenna von einer Stadtmauer eingefasst wurde, ob bereits in der Zeit des Claudius oder aber erst in der Zeit des Honorius oder sogar des Valentinian III. Anschließend widmeten wir uns der Neonischen Taufkapelle. Wir waren beeindruckt von den Decken- und Wandmosaiken. Am meisten beschäftigten uns die angeblichen Darstellungen von Bibelgeschichten wie Daniel in der Löwengrube, die uns als christliche Uminterpretation vorhandener Bilder erschienen, und die vermeintlichen Abbildungen von Propheten, die mit ihrer physiognomisch irritierenden Körperhaltung auf eine Umarbeitung einer vorherigen römisch-paganen Nutzung des Gebäudes schließen ließen. Nachdem wir die Kathedrale von Ravenna besichtigt hatten, konnten wir in der Taufkapelle der Arianer einen direkten Vergleich zwischen der unterschiedlichen Umsetzung der Geschichte von Johannes dem Täufer, die beide Baptisterien als Deckenmosaik ausgewählt hatten, ziehen. Auch der Nachmittag des dritten Tages stand im Zeichen beeindruckender Mosaikenpracht. Wir bestaunten das Presbyterium von San Vitale und erschlossen uns seine Mosaiken, von denen besonders die sogenannten Kaisermosaiken von Justinian und Theodora herauszuheben sind. Die Kirche aus dem 6. Jh. gilt als der vollendetste Zentralbau des Abendlandes. Anschließend ging es in das Mausoleum der Galla Placidia, bei dem allerdings die geplante Funktion als Grabbau nicht gesichert ist; definitiv wurde die römische Regentin dort nicht bestattet, sondern in Rom. Ringsum ist der Betrachter im Mausoleum von Mosaiken umgeben. Das dunkelblaue Sternenhimmel-Mosaik an der Decke und die orangen Fenster hüllen alles in ein tolles Licht. Als weiteres Highlight ging es dann in die Domus dei Tappeti di Pietra, eine frühbyzantinische Villa. Hier konnten wir die Mosaikböden der Villa aus dem 6. Jh. bestaunen und die verschiedenen Bauphasen des Gebäudes verstehen. Spätabends nach dem Abendessen haben wir – der Forscherdrang des Historikers ist unermüdlich – uns dann noch auf der Suche nach den Fundamenten der römischen Stadtmauer im Norden sowie denen der Kirche Santa Croce begeben, die vom 5. bis zum 17. Jh. zum Mausoleum der Galla Placidia gehörte.

Am Sonntag reisten wir mit vielen schönen Eindrücken im Gepäck zurück. Die Mosaiken beeindrucken mit ihrer Größe, Detailtreue und Farbenpracht. Viele der Bauten gehören zum UNECO-Weltkulturerbe. Der Reichtum an erhaltenen Bauten und Ruinen der spätantiken Stadt lässt Antike hautnah erleben. Ravenna ist auf jeden Fall eine Reise wert! 

Text: Anna Katharina Romund, Fotos: Nicole Diersen

Das Mausoleum der Galla Placidia.
© Alte Geschichte OS
Das Mausoleum der Galla Placidia.
San Vitale.
© Alte Geschichte OS
San Vitale.