Beinahe wöchentlich kommt es in heimischen Fußballstadien zu gewaltsamen Ausschreitungen zwischen verfeindeten Fanlagern. Auch im spätantiken Hippodrom, dem Ort der Wagenrennen, in Konstantinopel existierten zwei zerstrittene Fraktionen (die Blauen und die Grünen), die sich teils in offenen Straßenschlachten bekriegten. Während der Herrschaft Justinians (527-565 n. Chr.) ereigneten sich im Januar des Jahres 532 n. Chr. die schwersten Zirkusunruhen der Spätantike, in deren Verlauf laut dem Augenzeugen Prokopios von Caesarea knapp 30.000 Menschen starben. Doch was war der Auslöser dieses Aufruhrs, der als Nika-Aufstand in die Geschichtsbücher eingehen sollte?
Vorausgegangen war die misslungene Hinrichtung einiger Anhänger der grünen und blauen Fans. Die anschließend an ihn herangetragenen Bitten um Begnadigung der Delinquenten lehnte Justinian ab. Diese Haltung in Verbindung mit drastischen Strafmaßnahmen gegen beide Zirkusparteien führte letzten Endes dazu, dass sich die eigentlich verfeindeten Fraktionen gegen den Kaiser zusammenschlossen.
Bei den Zirkusspielen am 13. Januar eskalierte die Situation: Geschlossen forderten die Anhänger der Blauen und Grünen erneut die Freilassung der Inhaftierten, worauf der anwesende Kaiser jedoch nicht einging. Nach dem Ende der Spiele zogen die Aufrührer, die sich zur Identifikation gegenseitig das Losungswort „Nika“ (altgriechisch für „Siege“) gegeben hatten, zum Praetorium des Stadtpräfekten und zündeten es an. Nichtsdestotrotz begannen die Rennen am darauf folgenden Tag wie geplant. Nun wurden auch Teile des Hippodroms selbst in Brand gesteckt. Parallel schickte Justinian vom Kaiserpalast aus kaiserliche Truppen zu der Menge, die hiervon unbeeindruckt die Absetzung der lokalen Amtsträger forderte. Anders als zuvor kam Justinian dieser Forderung vorläufig nach – die Unruhen konnte er damit jedoch nicht beenden. Dies führt dazu, dass Belisar, der magister militum und damit oberste General des Kaisers, mit seinen Soldaten gegen die Aufständischen vorging. Doch auch damit war die Lage nicht unter Kontrolle zu bringen; im Gegenteil weitere Brandstiftungen in der Stadt waren die Folge. Auch der Vorgängerbau der Hagia Sophia, der Hauptkirche, ging in Flammen auf.
Während sich Justinian noch immer im Kaiserpalast aufhielt, begab sich die Menge zu Hypatios, einem Neffen des früheren Kaisers Anastasios, und rief diesen unter Beteiligung mehrerer Senatoren zum Gegenkaiser aus. Laut Prokopios geschah dies gegen dessen Willen, was jedoch in Zweifel gezogen werden kann, weil der spätantike Historiker um eine Entlastung von Hypatios bemüht gewesen zu sein scheint. Als Justinian von der Akklamation des Hypatios hörte, soll er sogar eine Flucht aus Konstantinopel in Erwägung gezogen haben. Justinians Akzeptanz als Herrscher scheint zu diesem Zeitpunkt ihren Tiefpunkt erreicht zu haben, weshalb sich sowohl das Militär als auch die Palastgarde nicht zum Eingreifen in den Konflikt überreden ließen. Justinian setzte nun all seine Hoffnung in die ihm treu ergebenen Generäle Belisar und Mundos, die mit den ihnen verblieben Soldaten zum Hippodrom zogen. Dort hatte sich mittlerweile Hypatios eingefunden und auf dem kaiserlichen Sitz niedergelassen, um sich von der anwesenden Bevölkerung feiern zu lassen. Belisar und Mundos griffen das Hippodrom währenddessen von zwei Seiten an und machten die Stadionbesucher nieder. In der daraus resultierenden Panik nahm man Hypatios gefangen und brachte ihn gemeinsam mit seinem Bruder Pompeios zum Kaiser. Justinian befahl, beide streng zu bewachen; doch bereits am folgenden Tag ermordeten die Soldaten beide Brüder und warfen ihre Leichen ins Meer. Trotz anfänglicher Härte gegenüber denjenigen, die Hypatios’ Usurpation unterstützt hatten, zeigte Justinian bald Milde und gab beispielsweise den Angehörigen der Ermordeten das vormals konfiszierte Vermögen zurück.
Die Folgen des Nika-Aufstandes waren umfassend: Wagenrennen im Hippodrom wurden vorläufig eingestellt und die senatorische Opposition des Kaisers verlor weiterhin an Einfluss. Nichtsdestotrotz trug der Aufstand nicht gerade zur Popularität Justinians in der Bevölkerung und weiten Teilen des Senats bei. Vom Aufstand profitiert haben zweifelsohne die dem Kaiser treu zur Seite gestandenen Personen, darunter vor allem seine Frau Theodora und sein General Belisar, der trotz seiner jüngsten Niederlage gegen das Sassanidenreich weiterhin in der Gunst Justinians stand.
Kevin Teimer
Bildnachweis: Wagenrennen im Circus Maximus, en.wikipedia.org/wiki/Chariot_racing