Der 9. Juni ist der Todestag von Kaiser Nero. Bis heute ist er – zum Teil wohl zu Unrecht – für seine tyrannische Herrschaft berühmt. Unzufriedenheit mit seiner Herrschaft hatte jedenfalls im Frühjahr des Jahres 68 zu einem Aufstand in den westlichen Provinzen des römischen Reiches geführt.
Die römischen Kaiser stützten ihre Macht in Rom auf die Prätorianer-Garde. Diese war in erster Linie die Leibwache des Kaisers und für seine Sicherheit verantwortlich. Weil der Kaiser den Prätorianern sein Leben anvertraute und sie in der Stadt Rom gewissermaßen ein Gewaltmonopol innehatten, war er von ihnen abhängig. Von den Senatoren waren viele nicht gut auf Nero zu sprechen. Als sich zeigte, dass ihm die Kontrolle über das Reich entglitt, wurde Nero am 9. Juni 68 n. Chr. vom Senat abgesetzt und zum Tode verurteilt. An seiner Stelle wurde Galba, der 73-jährige Statthalter von Spanien und Anführer des Aufstands in den Provinzen, als Kaiser bestätigt. Einer der Kommandanten der Prätorianer-Garde machte mit dem Senat gemeinsame Sache. Im Namen des neuen Kaisers stellte er den Prätorianern eine Sonderzahlung von zehn Jahresgehältern in Aussicht, die sich daraufhin von Nero abwandten. Ohne die Unterstützung seiner Leibwache in große Gefahr geraten, ergriff Nero die Flucht aus Rom. Auf den nahegelegenen Ländereien eines Vertrauten beging er schließlich Selbstmord.
Die Berichte der antiken Autoren über den Tod Neros sind, wie die Schilderungen seiner Herrschaft insgesamt, mit Vorsicht zu genießen. Besonders die einflussreiche senatorische Oberschicht Roms war mit Neros Verhalten als Kaiser unzufrieden. Ihre üble Nachrede prägte ein Bild Neros, das ihn als wahnsinnige und lächerliche Tyrannen-Figur erscheinen lässt. Diese Tendenz findet sich auch in den Todesdarstellungen und muss kritisch hinterfragt werden:
Im Kontrast zu seiner früheren, prunkvollen Hofhaltung landet Nero auf seiner Flucht mit nur wenigen Begleitern und schäbig gekleidet in einer ärmlichen Kammer. Die Quellen beschreiben, wie Nero sich in der Notlage wenig souverän verhält. Traditionell wurde von Angehörigen der römischen Oberschicht erwartet, dass sie sich in ausweglosen Situationen erhobenen Hauptes das Leben nehmen, anstatt den Feinden in die Hände zu fallen. Hierin tut Nero sich schwer. Von seinen Begleitern zum ehrenvollen Freitod gedrängt, laviert er herum und bedauert sein Schicksal. Überliefert ist der Ausspruch: „Welch ein Künstler geht mit mir zugrunde?“ Erst als zu hören ist, wie sich Soldaten nähern, stürzt sich Nero mithilfe eines ehemaligen Sklaven in einen mitgebrachten Dolch. Mit den letzten Atemzügen soll er die mittlerweile eingetroffenen Häscher törichterweise für besorgte Helfer gehalten haben. So wird er dargestellt als ein Mann, der bis zuletzt realitätsfern seiner eigenen Version der Wirklichkeit verhaftet blieb.
Don Jansen
Foto: Sergey Sosnovskiy: Kopf einer Kolossalstatue Neros aus den 60er Jahren des 1. Jh. n. Chr.