Thema des Monats März 2024: Dynamis

Bildnis einer regierenden bosporanischen Königin; 1898 in Shirokaya Balka nahe Noworossijsk gefunden.

Dynamis (wörtlich: Macht) war zur Zeit des Augustus eine Klientelkönigin Roms, d.h. sie unterhielt gute Beziehungen zur Supermacht am Tiber und beherrschte dank deren Unterstützung die eigenen Territorien. Offiziell nannte sie sich Philoromaios, Römerfreundin. Dynamis entstammte dem Königshaus von Pontos, an der türkischen Schwarzmeerküste. Ihr Großvater Mithridates VI. hatte den Römern erheblichen Ärger gemacht und seine Herrschaft 109 v.Chr. auch auf die Halbinsel Krim (Taurenische Chersonnes) ausgedehnt, wo Dynamis Königin werden sollte. Dieses sog. Bosporanische Reich zu beiden Seiten der Straße von Kertsch hatte sich aus griechischen Kolonien, den Tochterstädten griechischer Siedler, entwickelt und war zuvor mehrere hundert Jahre von der Familie der Sartoniden beherrscht worden. Nachdem die Römer Mithridates 63 v.Chr. in Kleinasien besiegt hatten, zog er sich in sein bosporanisches Gebiet zurück, um von dort den Kampf neu aufzunehmen. Sein Sohn, Dynamis’ Vater, Pharnakes II., sagte sich indes los und zwang Mithridates in Pantikapaion (auf der Krim) zum Selbstmord. Das sicherte ihm Roms Unterstützung selbst König des Bosporanischen Reiches zu werden. Während des Bürgerkriegs zwischen Caesar und Pompeius griff Pharnakes vergeblich nach dem alten Reich von Pontos. Der von ihm im Bosporanischen Reich eingesetzte Statthalter Asandros putschte nach der militärischen Niederlage gegen Caesar bei Zela und machte sich selbst 47 zum Herrscher. Um sich als Herrscher zu legitimieren, heiratete Asandros Dynamis, des Königs Tochter. 44 nahm er dann den Königstitel an und herrschte mit ihr weitere 25 Jahre. 17 v.Chr. wiederholte sich der Vorgang. Ein neuer Usurpator drängte an die Macht und heiratete Dynamis, jetzt die Witwe des Königs. Allerdings war er nicht so erfolgreich, zumal Augustus den neuen König von Pontos, Polemon, damit beauftragte, im Bosporanischen Reich die Verhältnisse wiederherzustellen. Polemon eignete sich selbst die Herrschaft an und machte auch Dynamis zu seiner Königin. Dynamis war auf Dauer nicht bereit mit Polemon zu regieren; sie kooperierte wahrscheinlich mit den aufständischen Aspurgianoi, ein Stamm oder eine Gruppe, die den späteren König Aspourgos, einen Sohn von Asandros und wahrscheinlich der Dynamis unterstützte. Polemon büßte bei einer der vergeblichen Aktionen, Herr der Lage zu werden sein Leben ein (ca. 8/7 v. Chr.). Augustus erkannte Dynamis als alleinige Herrscherin an, die bis 7/8 n. alleine Goldmünzen prägen ließ. Livia, die Frau des Augustus, wird hier ein Wörtchen mitgeredet haben. Bemerkenswert sind nämlich zwei Dinge. Auch im Reich von Pontos wurde nach Polemons Tod dessen Witwe die Königin Pythodoris als alleinige Klientelkönigin bestätigt, wie im Bosporanischen Dynamis. Und erst nach Dynamis’ Tod (um 10 n.Chr.) übernahm hier Aspourgos die Herrschaft. Beide Königinnen, Pythodoris und Dynamis, setzten der Livia Statuen als ihrer Wohltäterin (CIRB 978; SEG 39,695). Die Bürger von Phanagoreia (auf der Taman-Halbinsel) ehrten wiederum ihre „Königin Dynamis Philoromaios“, mit einer Statue als ihre Retterin und Wohltäterin (CIRB 979).

Christiane Kunst

Weitere Literatur:

Roller, D.W., Cleopatra’s Daughter and other Royal Women of the Augustan Era, Oxford 2018, 79-97.

Parlasca, K., Gepaipyris, nicht Dynamis, Die Bronzebüste einer bosporanischen Königin in Sankt Petersburg, Eurasia antiqua. Zeitschrift für Archäologie Eurasiens 15, 2009, 241-257.

Rostovtzeff, M., Queen Dynamis of Bosporus, Journal of Hellenic Studies 39, 1919, 88-109.

Bildnachweis: Bildnis einer regierenden bosporanischen Königin; 1898 in Shirokaya Balka nahe Noworossijsk gefunden, Abb. Roller 2018, S. 94, Nr. 13.