Thema des Monats September 2023: Drusus der Jüngere – ein Mord im Ränkespiel um die Macht? Der 2000. Todestag des jüngeren Drusus

Oberer Ausschnitt der „Cameo of Tiberius“, die Person mit Schild soll Drusus nach dessen Tod darstellen.
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Nero Claudius Drusus, Sohn des späteren Kaisers Tiberius und seiner ersten Frau Vipsania, wurde 15 oder 14 v. Chr. geboren. Nach der Adoption seines Vaters durch Kaiser Augustus 4 n. Chr. hieß er Drusus Iulius Caesar, wird aber dennoch zur besseren Unterscheidung von seinem gleichnamigen Onkel oft nur Drusus der Jüngere (Drusus minor) genannt.

Obwohl er durch die Adoption seines Vaters auch aus der Familie der Claudier in die der Iulier kam, war er zunächst von der Thronfolge des Augustus ausgeschlossen. Stattdessen sollte sein Cousin Germanicus, nach Tiberius folgen.

Dennoch erhielt er im gleichen Alter wie dieser seine politischen Ämter und stieg rasch die politische Karriereleiter empor. Schon um 2 n. Chr. wurde er princeps iuventutis (Erster der Jugend) und 11 n. Chr. bereits Quaestor, er übernahm um 14 senatorische Aufgaben, übte 15 und 21 das Konsulat aus, ohne zuvor Praetor gewesen sein zu müssen und erhielt 22 die tribunicia potestas. Seine ­– trotz des jungen Alters – politische Relevanz wird auch daraus ersichtlich, dass er nach dem Tod des Augustus im Jahr 14 dessen Testament vor dem Senat verlesen und die Leichenrede gehalten haben soll.

Lange Zeit fürs Trauern blieb Drusus allerdings nicht, denn bereits kurz nach dem Ableben des Kaisers sollte auch seine militärische Karriere beginnen: Er wurde von Tiberius, dem bestätigten Nachfolger des Augustus, zusammen mit dem Prätorianerpräfekten Seian nach Illyricum entsandt. Aufgabe war es hier, die meuternden Legionen wieder unter Kontrolle zu bringen. Die Legionen in Illyricum und am Rhein begannen zu meutern, da sie nach dem Tod des Kaisers versprochene Gelder nicht erhielten. Zeitgleich mit Drusus schlichtete Germanicus die Umstände in Germanien. Drusus konnte die Kontrolle über die Soldaten zurückerlangen und ließ die Anführer des Aufstandes hinrichten.

Nach seiner Rückkehr nach Rom übte er 15 n. Chr. das Konsulat aus. Im selben Jahr überwarf sich Drusus mit Seian. Der antike Schriftsteller Tacitus überliefert, dass sich die beiden öfters gestritten haben sollen und Drusus bei einem dieser Streite Seian öffentlich ins Gesicht geschlagen haben soll. Dieser Übergriff soll der Anlass für Seians Plan gewesen sein, als erstes Drusus zu beseitigen. Denn er beabsichtigte alle potenziellen Nachfolger des Kaisers loszuwerden, um selbst die Macht erlangen zu können. Dafür sollte er auch Livilla, die Frau des Drusus und Schwester des Germanicus zum Ehebruch verleitet haben.

Drusus hingegen wurde zunächst von Tiberius mit proconsularischem Kommando ausgestattet, zurück nach Illyricum geschickt. Denn für einen potenziellen Nachfolger des Kaisers war es wichtig, Beliebtheit bei den Soldaten zu erlangen und sich seine militärischen Sporen zu verdienen. Obwohl für ihn und Germanicus im Jahr 18 eine ovatio beschlossen wurde, kehrte er erst nach dessen Tod Ende 19 / Anfang 20 zum Begräbnis nach Rom zurück.

Drusus feierte im Mai 20 seine ovatio und reiste in der zweiten Hälfte erneut nach Illyricum, ehe er für sein zweites Konsulat abermals nach Rom zurückkehrte.

Nach dem erfolgreichen Konsulat zusammen mit seinem Vater Tiberius erhielt er 22 die tribunizische Gewalt und galt spätestens jetzt als designierter Nachfolger des Tiberius. Ein möglicher Dorn im Auge des einflussreichen und mächtigen Prätorianerpräfekten Seian, der seinen Plan noch nicht vergessen hatte. Tacitus berichtet, dass Seian ein Verhältnis mit Drusus’ Frau führte und diese dazu bewegte, ihren Mann zu vergiften.

Ob Seian wirklich einen großen Plan hegte und für Drusus’ Tod verantwortlich war, können wir heute nicht mit Sicherheit sagen. Allerdings starb Drusus etwa im Alter von 30 Jahren plötzlich im September 23. Drusus erhielt posthum vom Senat diverse Ehren und wie zu Lebzeiten schon sollten auch nach seinem Tod Statuen und Altäre für ihn errichtet werden.

Um Mitglied der kaiserlichen Familie zu werden, soll Seian in der Folge die Erlaubnis erbeten haben, die Witwe Livilla zu ehelichen. Tiberius lehnte diese Anfrage zwar ab, aber dennoch stieg Seian in der Gunst des Kaisers in den folgenden Jahren weiter. Erst 31 soll die Mutter des Germanicus Antonia eine mögliche Verschwörung des Seians aufgedeckt haben, die eventuell auch darin bestand, dass er Livilla doch heimlich geheiratet hatte. Nachdem Seian hingerichtet wurde, offenbarte dessen Ex-Frau Apicata, Seians und Livillas Beteiligung am Tod des jüngeren Drusus.

Friedrich W. Brüggemann

Foto: Oberer Ausschnitt der „Cameo of Tiberius“ auch „Grand Camée de France“ genannt, zwischen 23 und 29/25 bzw. 27 n. Chr. entstanden; am ehesten aber um 23 n. Chr. Heute in Paris aufbewahrt ( Ilya Shurygin, 2014).