Das Frankreichbild in der deutschsprachigen Presse zur Zeit Ludwigs XIV.
Mit Beendigung des Dreißigjährigen Krieges war Frankreich im Westfälischen Frieden 1648 die Rolle als Garantiemacht für diesen zugesprochen worden. Jedoch bedeutete dies keineswegs einen gefestigten Frieden für Zentraleuropa. So sollte gerade Frankreich unter Ludwig XIV. sich zu einem langwierigen Kriegsfaktor für das Heilige Römische Reich entwickeln sollte. Die im Zuge einer sogenannten „Reunionspolitik“ geführten Kriege zielten unter anderem auf eine Arrondierung des Territoriums, gerade im Elsass und Flandern, sowie auf die Festigung der bourbonischen Hegemonie in Europa. Besonders im Holländischen Krieg (1672-1679) und im Neunjährigen Krieg (1689-1697) verlagerte sich das Kriegsgeschehen direkt in das Alte Reich. Bis in die Gegenwart stehen gerade die Zerstörung Heidelbergs und Verwüstung der Kurpfalz fast sinnbildlich für die expansionistische Außenpolitik des ludovizianischen Frankreichs Ende des 17. Jahrhunderts. Bereits zeitgenössisch bildete sich so die Wahrnehmung des Königreichs als Reichsfeind heraus – ein Topos, der im deutsch-französischen Verhältnis bis in das 20. Jahrhundert Wirkmächtigkeit behalten sollte.
Eine zentrale Rolle kam in diesem Zusammenhang der Flugpublizistik zu. Die anlassgebundenen Publikationen, egal ob die kurzen i.d.R. um Kupferstich ergänzten Flugblätter oder die deutlich längeren, argumentierenden Flugschriften, trugen zur Konstruktion jenes Feindbildes bei. Sie stellten die Ereignisse in teils dramatisierender und polemisierender Weise dar und transferierten den präsenten Topos des Erbfeindes von den Osmanen auf Frankreich. Das mediale Frankreichbild war somit deutlich negativ konnotiert.
Es greift allerdings zu kurz, sich hierbei, wie in der bisherigen Forschung geschehen, auf die Flugpublizistik zu beschränken und diese einzig als dominant anzusehen. Ergänzt wurde das „Mediensystemsystem im Alten Reich“ (Johannes Arndt) um die periodische Zeitung. Anders als die akzidentiellen Flugpublikationen zeichnete sich dieses Medium durch eine regelmäßige, periodische Erscheinungsweise mit meist zwei oder mehr Ausgaben pro Woche. Die Korrespondenten berichteten dabei von verschiedensten als relevant eingestuften Ereignissen aus dem Reich, Europa und der bekannten Welt. Zudem war es im Selbstanspruch der Zeitungsmacher begründet, wenig bis gar nicht meinungsbildend zu wirken. Oberste Prämisse war eine umfassende, auf hohe Aktualität zielende Informationsvermittlung in Verbindung mit einer selbst auferlegten Neutralität. Eine polemisierende Berichterstattung war kein Teil der Zeitungsberichterstattung.
Vor diesem Hintergrund stellt sich für das Promotionsprojekt die Frage, wie die Zeitungen jene Ereignisse wahrnahmen, bewerteten und verarbeiten. Mit Blick auf die (mediale) Konstruktion Frankreichs als Reichsfeind werden die Kriegsbeginne des Devolutionskrieges, Holländischen Krieges und Neunjährigen Krieges untersucht. Dabei ist es nicht nur von Relevanz, wie über das Kriegsgeschehen berichtet und dieses eingeordnet wurde, sondern ebenso welchen anderen Ereignissen gleichfalls ein Nachrichtenwert zu gesprochen wurde. Das Projekt geht dabei von der These aus, dass sich das Frankreichbild in der Presse aus mehreren Facetten zusammensetzte und durch den genuinen Charakter der Zeitung umfassender und vielschichtiger war als in der Flugpublizistik. Somit kann das Promotionsprojekt einen Beitrag zum Verständnis des medial vermittelten Frankreichbildes in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhundert und den deutsch-französischen Beziehungen in der Frühen Neuzeit leisten.
Projektleitung
Prof. Dr. Siegrid Westphal
Bearbeitung
Marcel Lewerentz