Doktorand*innen-Workshop in Bonn am 31.05.2023

Zu einem fachlichen Austausch und Diskussionen über neue Forschungsprojekte trafen sich Doktorandinnen und Doktorand der Frühen Neuzeit am 31. Mai in Bonn. Im Rahmen eines eintägigen Workshops bot sich den Promotionsstudierenden unterschiedlicher Universitäten die Möglichkeit, ihre laufenden Dissertationsvorhaben aus dem Bereich der Geschichte der Frühen Neuzeit und der Rheinischen Landesgeschichte einem breiteren Publikum vorzustellen und sich zu vernetzen. Nachdem die Veranstaltung im vergangenen Jahr an der Universität Osnabrück ausgerichtet worden war, hatte nun die Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn als gastgebende Einrichtung eingeladen. Bereits seit 2019 findet einmal jährlich dieses von Prof. Dr. Ulrich Niggemann (Institut für Europäische Kulturgeschichte ( IEK), Universität Augsburg), Prof. Dr. Michael Rohrschneider (Zentrum für Historische Friedensforschung ( ZHF), Universität Bonn) und Prof. Dr. Siegrid Westphal (Forschungszentrum Institut für Kulturgeschichte der Frühen Neuzeit (IKFN), Universität Osnabrück) als Kooperation organisierte Format statt. Auch die Osnabrücker Doktoranden  Marcel Lewerentz und  Torben Tschiedel konnten hier ihre Promotionsvorhaben vorstellen. Begleitet wurden die beiden dabei von  Prof. Siegrid Westphal und  Dr. Ludwig Schipmann sowie den studentischen Hilfskräften Esra Grun, Michelle Ostermaier, Felix Lange und Markus Horbach, die so einen ersten Einblick in die Arbeitsprozesse und Ansätze für Dissertationen gewinnen konnten.

Die in Bonn vorgestellten Projekte zeigten eine große Bandbreite. Johannes Kaminski (Bonn) sprach zu Beginn über ausgewählte Kölner Rechenbücher und arithmetische Lehrbücher in der Frühen Neuzeit. Eine ihrer Besonderheiten lag in der Verknüpfung aus Beschreibung und graphischen Elementen. Deutlich machte er, dass solche Bücher sich als ein Rüstzeug für die alltägliche Arbeit u.a. an den Kaufmannsstand Kölns richteten. Die Rechenmeister mussten so zwar als Praktiker agieren, aber dennoch auch didaktisch begabt sein.

In enger thematischer Nähe zum Gastgeberort, dem Zentrum für Historische Friedensforschung, bewegt sich Torben Tschiedel (Osnabrück) mit seinem Promotionsprojekt. In seinem Vortrag machte der seinen Ansatz eines Friedensprozesses durch Scheitern von Verhandlungen deutlich. Konkret möchte er in seinen Forschungen den Fokus auf eine Neubewertung des Prager Friedens im Kontext des Westfälischen Friedenskongresses legen. Tschiedel betonte, dass Scheitern nicht als diagnostizierbare Tatsache, sondern als eine Konstruktion zu verstehen sei, die einem Zuschreibungsprozess unterliege. Die negative Stigmatisierung von „gescheiterten“ Friedensprozessen führe in der geschichtswissenschaftlichen Arbeit zu einer zu einer Suche nach Baufehlern, demgegenüber eröffne ein reflektierter Blick vielmehr neue Erkenntnismöglichkeiten. So sei auch die Konnotation des Prager Friedens als „gescheitert“ zu hinterfragen.

Die Stadt Hamburg als Medienzentrum des späten 17. Jahrhunderts nahm Claudia Heise (Augsburg) in den Blick. Als Medienverbundanalyse angelegt, untersuchte sie dabei die Strukturen und Dynamiken in Hamburg während der sogenannten „Jastram-Snitgerschen Wirren“. Ausgehend von einem breiten Korpus aus publizistischen und nicht-publizistischen Quellen gelte es, das Konstrukt der Medienstadt Hamburg zu überprüfen und Rückkopplungen zwischen Medien und Stadtgeschehen aufzuzeigen. 

Ebenfalls auf dem Feld der Medien- & Kommunikationsgeschichte bewegte sich Marcel Lewerentz (Osnabrück). Anhand von periodischen Zeitungen möchte er das Frankreichbild in der deutschsprachigen Presse zur Zeit Ludwigs XIV. herausarbeiten. Zentral sei hierbei vor allem die Frage, inwiefern Zeitungen Ende des 17. Jahrhunderts zur Konstruktion Frankreichs als ein „Reichsfeind“ beitrugen, obwohl sie sich ihrem Selbstverständnis nach als ein neutrales Medium verstanden. Lewerentz stellte am Beispiel der Zerstörungen Heidelbergs im Neunjährigen Krieg heraus, dass die Zeitungen zwar einerseits ein negatives Frankreichbild gezeichnet hätten, dies aber andererseits auch um Zwischentöne ergänzten, sodass sie nicht gänzlich der Gallophobie der Flugpublizistik folgten. In der weiteren Arbeit müsse das Spannungsfeld der periodischen Zeitungen als Medium eines potentiellen Gallotropismus nun vertieft untersucht werden.

Die deutsch-mexikanischen Beziehungen um 1800 nahm Marie Ontiveros (Bonn) in den Blick. Dabei sprach sie über Strategien und Methoden des Wissenschafts- und Technologietransfers im Kontext des Bergbaus und des Austausches von mineros zwischen deutschsprachigen Territorien und Neuspanien. Sie stellte insbesondere die Frage, wie Wissen in verschiedenen sozialen, wissenschaftlichen und geographischen Räumen zirkulieren und sich beeinflussen konnte. 

Abschließend setzt sich Matthias Lehmann (Augsburg) mit intraimperialer Reiseliteratur des 18. und 19. Jahrhundert auseinander. Er untersuchte, wie sich koloniale Narrative in solchen Texten widerspiegeln, die sich mit europäischen Regionen auseinandersetzten. Einen Fokus legte Lehmann dabei unter anderem auf die Alteritätswahrnehmung englischer Autorinnen und Autoren zu Schottland. Indem sich manche Narrative auch europaintern zeigten, ließen sich die untersuchten Räume auch als postkoloniale Räume lesen.

In der Pause zwischen den Vorträgen führte Herr Rohrschneider die Teilnehmenden durch das ZHF. Dabei wurde ihnen ein Einblick in die umfangreiche Fachbibliothek zur Friedensforschung sowie den breiten Quellenbestand auf Mikrofilm der Acta Pacis Westphalicae (APW) gewährt. Neben dem fachlichen Austausch war darüber hinaus auch Zeit, die ehemalige Bundeshauptstadt zu erkunden. Bei sonnigem Maiwetter ging es am Vorabend der Tagung über Bonner Münster und Münsterplatz, mit dem Denkmal des gebürtigen Bonners Ludwig van Beethoven, zum ehemaligen fürstbischöflichen Residenzschloß in den Hofgarten, heute Hauptsitz der Universität Bonn. Nach einem Spaziergang an der Rheinpromenade trafen sich alle Teilnehmenden zu einem gemeinsamen Abendessen am Marktplatz und kamen so fachlich wie persönlich ins Gespräch.

Bei der Abschlussdiskussion nach den Vorträgen betonten alle Teilnehmenden dem fruchtbaren Charakter dieses Formats. Die Doktorand*innen schätzten den fachlichen Input und den neuen Blick auf ihre Projekte. Es wurde deutlich, dass viele Arbeiten untereinander Anknüpfungspunkte bieten. Die Diskussionen waren daher äußert gewinnbringend und produktiv. Auch die Organisatorinnen und Organisatoren des Workshops, Ulrich Niggemann, Michael Rohrschneider und Siegrid Westphal, zeigten sich äußerst zufrieden. Alle stellten heraus, dass diese Kooperation unbedingt weiterzuführen sei, und blickten freudig auf das nächste Treffen im kommenden Jahr, dann an der Universität Augsburg.

Tagungsbericht und Fotos: Marcel Lewerentz

Das Bild zeigt eine Gruppe von Menschen, die in einem Raum mit Bücherregalen stehen und freundlich in die Kamera lächeln.
© Marcel Lewerentz
Teilnehmende des Workshops in der Forschungsbibliothek des ZHF
Das Bild zeigt ein historisches Gebäude mit verzierter Fassade und Flaggen, vor dem Menschen in einem Straßencafé unter Sonnenschirmen sitzen.
© Marcel Lewerentz
Das Rathaus in Bonn
Das Bild zeigt eine Gruppe von Menschen in einem Konferenzraum, die um einen Tisch sitzen und einem Vortragenden zuhören, während auf einem Bildschirm eine Präsentation zu sehen ist.
© Marcel Lewerentz
Diskussion
Das Bild zeigt einen Platz in Bonn mit einer Statue von Beethoven, dem alten Postamt im Hintergrund und einem großen Schriftzug "#Bonn" mit einem Kussmund.
© Marcel Lewerentz
Ludwig van Beethoven