Tagesexkursion nach Minden am 26.05.2023
"Schwarz weiß. Preußen und der Kolonialismus". Ausstellung im LWL-Preußenmuseum Minden
Am 26. Mai 2023 begaben sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer unter der Leitung von Herrn Lewerentz und Herrn Tschiedel auf eine Exkursion nach Minden. Es galt, den preußischen Kolonialismus zu erforschen und dafür schien die ehemalige preußische Garnisonsstadt hervorragend geeignet. So gab es neben den Kirchen und dem Dom auch noch erhaltene Militärbauten zu sehen, wie ein preußisches Proviantmagazin oder die Defensionskaserne. Letztere war für uns von Anfang an von großem Interesse, da mittlerweile das LWL-Preußenmuseum dort eingezogen war und eine Ausstellung zum preußischen Kolonialismus anbot.
Bis zum Museum war es aber noch ein weiter Weg. Ganz im Sinne preußischer Pünktlichkeit fuhren wir gegen viertel nach neun in Osnabrück ab mit dem Ziel: Bahnhof Minden. Dort angekommen deutete zunächst nichts auf Preußen oder Kolonialgeschichte hin und uns wurde bewusst, wir brauchen dringend mehr Hintergrundwissen über die Stadt. Zu diesem Zweck hatte unsere Exkursionsleitung bereits eine Stadtführung im Vorfeld gebucht, worauf wir uns umgehend auf den Marsch in Richtung Mindener Innenstadt begaben.
Am Rathaus in Minden war nun der eigentliche Startpunkt unserer Exkursion erreicht. Voller Erwartungen und Neugierde nach spannenden Informationen über die Geschichte Mindens und die Rolle Preußens dabei, warteten wir auf unsere Stadtführung. Dabei schien es zunächst auch zu bleiben, als Herr Lewerentz uns mitteilte, dass die Stadtführung uns vergessen hatte. Nichtsdestotrotz gelang es unseren Exkursionsleitern, einen schnellen Ersatz mit der Stadt Minden auszuhandeln. Neben einer verkürzten Stadtführung erfolgte ein spontaner Besuch der Domschatzkammer, sodass wir nachfolgend kostbare Reliquienschreine und aufwendig gefertigte Metall- und Holzarbeiten (teilweise noch aus mittelalterlicher Zeit) bestaunen konnten. Eine Besonderheit stellte das Mindener Kruzifix dar, insbesondere weil es als ein seltenes Großkreuz aus dem 11. Jahrhundert gefertigt wurde.
Nachdem wir die Domschatzkammer wieder verlassen hatten, konnte unsere Exkursionsgruppe mit dem in der Zwischenzeit organisierten Stadtführer fast wie geplant weiter auf Entdeckungsreise gehen und wir begannen direkt beim Dom. Wir erfuhren, dass der Dom bei einem Besuch König Heinrichs IV. niederbrannte, weil die örtliche Bevölkerung nicht für die Verpflegung von König und Gefolge aufkommen wollte und der Konflikt schließlich in Gewalt ausuferte. Außerdem beherbergt der Dom eine sehr seltene Mariendarstellung (Emerentia Selbviert), bei der allerdings das Jesuskind abhandenkam und somit Maria mit leeren Händen vor uns stand. Erwähnenswert ist außerdem noch die fast vollständige Zerstörung des Doms zum Ende des Zweiten Weltkrieges und der Wiederaufbau des Doms trotz kleiner katholischer Gemeinde in Minden.
Vom Dom weg hin zu den Spuren preußischer Geschichte in Minden brachte uns die Stadtführung, als wir das ehemalige Proviantmagazin mit angeschlossener Bäckerei erreichten. Das große Gebäude aus dem frühen 19. Jahrhundert diente zur Verpflegung des Militärs, welches seit dem Westfälischen Frieden unter preußischer Fahne die Stadt zur Garnison ausbaute und befestigte. Gerne hätten wir auch noch weitere Überreste der ehemaligen Garnisonsstadt an der Weser untersucht, allerdings war es auch Zeit für eine erste Pause. Somit schloss unsere Stadtführung vor dem Haus Schmieding mit seinem „Epochenfries“ aus dem 20. Jahrhundert würdig ab.
Der Pause folgte dann der Besuch der Ausstellung „Schwarz weiß. Preußen und Kolonialismus“ im LWL-Preußenmuseum. Die Ausstellung wurde bis zum 10. September verlängert und stellt eine Kooperation zwischen dem Museum und Studentinnen und Studenten der Universität Bielefeld dar. Unsere Exkursionsgruppe bekam eine Führung durch die Ausstellung, die besonders einprägsam drei Einzelschicksale von schwarzen Menschen in Minden rekonstruieren konnte. So wurde ein afrikanischer Junge in das deutsche Kaiserreich verkauft und bekam den Namen Alagabo Timm. Ein Afrikaforscher kaufte den Jungen aus elenden Verhältnissen auf, sah ihn aber auch mehr als Last für seine Forschungsfinanzierung, sodass sich Alagabo Timm selbst helfen musste (u.a. durch Zirkusauftritte). Neben den Recherchen zu Einzelschicksalen konnten Pläne zur GEWA ausfindig gemacht werden, der Gewerbeausstellung von 1914. Dabei handelte es sich um einen Vorläufer von Unterhaltungsparks mit Gastronomie. Die Unterhaltung sollte durch die Völkerschau erfolgen, eine reine Zurschaustellung von entführten Menschen die anschließend „kulturtypisches Verhalten“ aufführen sollten. Jedoch waren diese Tänze, die Kleidung oder andere Bräuche vorgeschrieben und hatten absurderweise nichts mit der tatsächlichen Kultur etwa von somalischen Kriegern zu tun. Zudem wurden die Menschen meist unter Vorspiegelung falscher Tatsachen ins Kaiserreich gebracht, auch mit Gewalt. Insbesondere diese zwei Rechercheprojekte des Bielefelder-Teams überzeugten uns durch Anschaulichkeit, Verständlichkeit und weckten unser Interesse.
Kritisch merkten wir in der anschließenden Besprechung unserer Eindrücke unter anderem an, dass sich die Ausstellung zwar im Namen auf Preußen bezieht, allerdings wenig zu den kleinen ursprünglich preußischen Besitzungen in der Karibik oder im heutigen Ghana gezeigt wurde. Vielmehr beschäftigte sich die Ausstellung mit dem Deutschen Kaiserreich, das aus Brandenburg-Preußen hervorging. Eine Einordnung zu Beginn der Ausstellung wäre sehr hilfreich gewesen, besonders mit Blick auf das Thema Dreiecks- und Sklavenhandel sowie möglicher Fallzahlen. Aufgefallen ist uns zudem noch ein Projekt, bei dem die Besucher „ihren rassistischen Müll“ entsorgen können. Es handelte sich um einen transparenten Kunststoffbehälter, in den man zeitgenössische Literatur oder ähnliche Quellen und Überreste „entsorgen“ sollte. Leider wurde die Idee hinter diesem kontroversen Modell nicht weiter erläutert, weder bei der Führung noch ausreichend durch Textbeschreibungen am Behälter.
Davon abgesehen schlossen wir die Rekapitulation mit eigenen Überlegungen dazu ab, inwiefern wir mit einer Schulklasse die Ausstellung besuchen können, ob eine Führung hinzugebucht werden solle oder die Klasse selbständig die Ausstellung erkunden könne. Die Ergebnisse fielen sehr vielfältig aus, zumal aus der Ausstellung auch für mögliche zukünftige Forschungsprojekte am Historischen Seminar der Universität Osnabrück Ideen hervorgingen. Und somit konnten wir die Exkursion am Abend mit vielen Ideen und doch etwas müde auf dem Rückweg nach Osnabrück beenden.
Exkursionsbericht: Nils-Peter Stonjek
Fotos: Marcel Lewerentz