Neu ist an diesem Ansatz, dass diese Modelle Informationen räumlich organisieren – ähnlich den „Landkarten“ des visuellen Kortex. Damit schlagen sie eine Brücke zwischen leistungsstarker KI und biologischer Plausibilität. Die Studie „End to end topographic networks as models of cortical map formation and human visual behaviour“ ist in Nature Human Behaviour erschienen (DOI: 10.1038/s41562 025 02220 7).
„Mit All TNNs rücken wir künstliche Intelligenz wieder näher an ihre biologischen Wurzeln. Das hilft uns, das Gehirn besser zu verstehen und gleichzeitig effizientere KI Systeme zu bauen“, sagt Projektleiter Prof. Tim C. Kietzmann vom Institut für Kognitionswissenschaft der Uni Osnabrück.
Zum Hintergrund: Mit jeder neuen Generation von KI Systemen steigt zwar die Rechenleistung, doch deren interne Informationsverarbeitung entfernt sich immer weiter von der des Menschen. Das erschwert zwei zentrale Ziele: zum einen verständliche, erklärbare KI und zweitens die Nutzung starker KI Modelle als Simulation des Gehirns. All TNNs kehren diesen Trend um: Sie bringen künstliche Netzwerke wieder näher an die natürliche Organisation des Kortex heran und schaffen damit eine mögliche Voraussetzung einer gemeinsamen Sprache für KI und Neurowissenschaft.
Statt – wie klassische Convolutional Neural Networks – überall im Bild nach identischen Mustern zu suchen, legt All TNN einen zweidimensionalen „künstlichen Kortex“ an. In dieser Fläche liegt jede künstliche Nervenzelle neben Zellen mit ähnlicher Selektivität, aber mit zunehmender Entfernung ändert sich die Spezialisierung nach und nach, so dass die KI eine Art Mosaik an Wissen anlegt. Dieses topographische Prinzip entspricht dem Aufbau unseres Sehsystems und fehlt bisherigen KI Architekturen.
„Tests mit dem neuen Ansatz zeigen, dass das Verhalten von All TNNs dem menschlichen Verhalten signifikant näherkommt, als bisherige Ansätze ¬– ein wichtiger Schritt, denn die Angleichung von Verhaltensmustern zwischen künstlichem und biologischem Sehen ist nach wie vor ein ungelöstes Problem“, so Kietzmann. Gleichzeitig zeigen die Simulationen auf, dass die neue Art von Netzwerken als physikalische Systeme weniger Energie benötigen würden, da benachbarte Einheiten koordiniert arbeiten – ein Effekt, den auch die Natur offenbar nutzt.
In den Neurowissenschaften dienen All TNNs als digitale Modelle, um die Entstehung kortikaler Karten zu erforschen. Für die KI Entwicklung stellen All-TNNs eine Grundlage für den Weg zu erklärbaren, ressourcenschonenden Systemen.
Weitere Informationen für die Redaktionen:
Prof. Dr. Tim C. Kietzmann, Universität Osnabrück
Institut für Kognitionswissenschaft
tim.kietzmann@uni-osnabrueck.de