Der Essay zur Vorlesung
Arbeitsgruppe Neueste Geschichte und Historische Migrationsforschung
Prof. Dr. Christoph A. Rass
[IMIS] [SFB1604] [HistOS]
Der Essay zur Vorlesung (Neueste Geschichte und Historische Migrationsforschung)
- Diese Anleitung erklärt, was ein Essay ist und wie Sie einen wissenschaftlichen Text in diesem Format in Lehrveranstaltungen der Professur Neueste Geschichte und Historische Migrationsforschung verfassen können.
- Ein Essay bezieht sich dabei thematisch stets auf die Vorlesung des jeweiligen Semesters und vertieft eine Fragestellung (Ihrer Wahl) aus deren Kontext durch die Analyse zweier Quellen.
- Der Abgabetermin für den Essay zur Vorlesung ist der letzte Tage des Winter- bzw. Sommersmesters, in dem die Vorlesung besucht wird. Eine Verlängerung der Bearbeitungszeit ist auf Grundlage eines begründeten, formlosen Antrags frühestens fünf Werktage vor dem Abgabetermin möglich; in der Regel wird zunächst eine Verlängerung des Bearbeitungszeitraums um zwei Wochen gewährt.
Was ist ein Essay?
- Das Essay ist eine kurze wissenschaftliche Textform. Es unterscheidet sich von der Hausarbeit in drei Punkten: Es ist kürzer, fokussierter und arbeitet mit weniger Quellen. Während eine Hausarbeit ein Thema breit aufarbeitet, geht das Essay punktuell in die Tiefe.
- Für die Bearbeitung eines Essays wählen Sie eine Frage aus dem thematischen Kontext der von Ihnen besuchten Vorlesung und bearbeiten diese anhand von zwei Dokumenten.
- Abgabetermin ist jeweils das Ende des Semesters, in dem Sie die Vorlesung besuchen.
Warum Essays schreiben?
Essays trainieren drei Fertigkeiten, die Historiker:innen brauchen:
- Auswahl: Sie lernen, aus vielen möglichen Quellen gezielt einige wenige auszuwählen, anhand derer Sie Ihre Fragestellung bearbeiten können.
- Analyse: Sie lernen, Quellen wissenschaftlich-kritisch zu lesen
- Vergleich: Sie lernen, verschiedene Perspektiven anhand einer Quellenanalyse gegenüberzustellen.
Struktur des Essays
Das Essay folgt einem einfachen Aufbau:
Einleitung:
- Thema und Frage: Was wollen Sie herausfinden?
- Forschungsstand: Ganz knapp und fokussiert.
Darstellung:
- Einzelanalyse: Was sagt jede Quelle über den von Ihnen untersuchten Sachverhalt aus?
- Vergleich: Wie unterscheiden sich die Quellen?
Abschluss:
- Zusammenfassung und Einordnung: Was bedeuten Ihre Befunde für Ihre Frage?
Diese Struktur entspricht dem Vorgehen in der Forschung. Sie entwickeln eine Frage, sammeln Material, analysieren es und ziehen Schlüsse. Das Essay macht diesen Prozess sichtbar.
Anleitung für das 5-seitige Essay
Formales
- Umfang: 5 Seiten Text (zzgl. Literaturverzeichnis)
- Format: Arial oder Calibri 11pt, 1,5-facher Zeilenabstand
- Wörter: etwa 2.000 Wörter
- Quellen: genau zwei Dokumente, dabei kann es sich um Primärquellen oder um Sekundärquellen handeln, Sie können auch Publikationen aus der wissenschaftlichen Literatur vergleichen.
- Wissenschaftlicher Apparat: Nachweis der Quellen, eine kleine Auswahl kontextualisierender Forschungsliteratur, in Anmerkungen nur Nachweis direkter Zitate, Literaturliste aller verwendeten Materialien
- Thema: aus der aktuellen Vorlesung
Schritt 1: Thema wählen und Frage entwickeln
- Gehen Sie Ihre Vorlesungsnotizen durch. Welches Thema hat Sie interessiert? Welche Frage ist offen geblieben? Das Essay ist Ihre Chance, tiefer zu bohren.
- Die Frage muss konkret genug sein, um sie exemplarisch anhand zweier Quellen bearbeiten zu können
- In Ihrer Einleitung Stellen Sie Ihr Thema in 2-3 Sätzen vor. Formulieren Sie dann Ihre Frage. Begründen Sie, warum die Frage wichtig ist.
Quellen vorstellen (äußere Quellenkritik)
- Stellen Sie Ihre beiden Quellen vor (innere und äußere Quellenkritik und Interpretation):
- Was für Dokumente liegen Ihnen vor?
- Wer hat sie verfasst?
- Wann sind sie entstanden?
- In welchem Kontext?
- Erklären Sie, warum Sie diese Quellen gewählt haben. Was erwarten Sie von der Analyse? Was hoffen Sie herauszufinden?
Schritt 2: Quellen analysieren (innere Quellenkritik)
- Jetzt analysieren Sie jede Quelle einzeln. Das ist keine Inhaltsangabe. Sie fragen nach:
- Wer spricht? Ist der Verfasser Politiker, Beamter, Journalist, Wissenschaftler? Das prägt die Perspektive.
- Welche Absicht steckt dahinter? Will der Text informieren, überzeugen, rechtfertigen? Texte sind nicht neutral.
- Welche Argumente werden verwendet? Beruft sich der Verfasser auf Moral, Recht, Wirtschaftlichkeit, Tradition?
- Was wird verschwiegen? Oft ist wichtig, was nicht gesagt wird.
- Welche Begriffe tauchen auf? Sprache verändert sich. "Fremdarbeiter", "Gastarbeiter", "Migranten" - jeder Begriff transportiert andere Vorstellungen.
- Sachverhalt: Wie greift die Quellen den Sachverhalt auf, den Sie untersuchen?
- Arbeiten Sie Haltung, Perspektive und Narrativ des Verfassers/ der Verfasserin heraus.
Schritt 3: Vergleichen
- Danach folgt der wichtigste Teil: der Vergleich.
- Diskutieren Sie nicht nur Unterschiede oder Ähnlichkeiten, fragen Sie nach Gründen, Motiven und der Art und Weise, wie diese im Text transportiert werden.
- Wo stimmen die Quellen überein? Das sind oft unstreitige Punkte oder Aspekte über die es breiten Konsens gibt.
- Wo unterscheiden sie sich? Das zeigt Konfliktlinien und verschiedene Interessenlagen.
- Warum diese Unterschiede? Verschiedene Positionen haben meist verschiedene Ursachen, zB:
- Zeitliche Unterschiede (sich wandelnde Umstände)
- Soziale Unterschiede (verschiedene gesellschaftliche Gruppen)
- Regionale Unterschiede (andere lokale Bedingungen)
- Politische Unterschiede (verschiedene Ideologien)
Der Vergleich sollte neue Einsichten bringen. Wenn Sie nur bestätigen, was Sie schon wussten, war die Quellenauswahl zu einfach: Das Ziel ist es zu ermitteln, wie zwei Quellen einen Sachverhalt unterschiedlich aufgreifen und darstellen.
Schritt 4: Einordnen und bewerten
- Zum Schluss ordnen Sie Ihre Ergebnisse ein. Beantworten Sie Ihre ursprüngliche Frage. Was haben Sie herausgefunden? Welche neuen Erkenntnisse haben sich ergeben?
- Reflektieren Sie kritisch über die Grenzen Ihrer Untersuchung. Zwei Quellen geben nur einen Ausschnitt. Welche weiteren Perspektiven wären wichtig? Welche Fragen bleiben offen?
- Spekulieren Sie nicht über Dinge, die Ihre Quellen nicht hergeben. Bleiben Sie bei dem, was Sie belegen können.
Praktische Tipps
- Quellensuche: Beginnen Sie früh. Nutzen Sie die Universitätsbibliothek und digitale Archive. Fragen Sie in der Sprechstunde nach Hinweisen. Dankbare Quellen finden Sie oft in großen Zeitungskorpora (Deutsches Zeitungsportal, ZeitPunkte NRW, Chronicling America usw.)
- Zeitplanung: Ein Essay braucht Zeit zum Reifen. Schreiben Sie nicht alles an einem Tag. Lassen Sie den Text liegen und überarbeiten Sie ihn.
- Sprache: Schreiben Sie klar und verständlich in zugänglicher wissenschaftlicher Sprache.
- Zitate: Zitieren Sie sparsam, aber genau. Jedes Zitat muss einen Zweck haben.
- Belege: Belegen Sie alle Behauptungen über Ihre Quellen. Erfinden Sie nichts dazu.
Das Essay ist eine Übung im historischen Denken.
Es geht nicht um die "richtige" Antwort, sondern um die begründete Argumentation.
Zeigen Sie, dass Sie Quellen kritisch lesen und verschiedene Perspektiven verstehen können.
Hinweise für das Verfassen von Essays, Stand: Sommersemester 2025.