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Forschung am Fliegenherz: Osnabrücker Zoologen entschlüsseln Funktion von Herzklappen bei Insekten

Eine Untersuchung der Osnabrücker Biologen Prof. Dr. Achim Paululat und Dr. Christian Meyer zeigt: Auch im Kreislaufsystem von Fruchtfliegen spielen Herzklappen eine wichtige Rolle. Die Ergebnisse erschienen in der angesehenen Fachzeitschrift "PLOS Genetics".

Die Fruchtfliege Drosophila melanogaster besitzt, wie für Gliederfüßer typisch, kein geschlossenes, sondern ein offenes Kreislaufsystem. Das bedeutet, ihr Körper ist nicht wie bei Menschen und anderen Wirbeltieren von Blutgefäßen durchzogen. Stattdessen umspült ihre Körperflüssigkeit, die sogenannte Hämolymphe, direkt ihre Organe.

Auch im Fliegenkörper schlägt ein Herz

Doch auch im Fliegenkörper schlägt ein Herz, das für die Zirkulation der Hämolymphe und der darin enthaltenen Substanzen sorgt. Dieses besteht aus einer Kammer am hinteren Körperende und einer daran anschließenden Aorta, die bis ins vordere Körperende reicht. Wenn sich die Kammer ausdehnt, dringt durch spezielle zelluläre Öffnungen Hämolymphe aus der Leibeshöhle darin ein. Zieht sich die Kammer dann wieder zusammen wird die Hämolymphe durch die Aorta gepumpt, bis sie an deren Ende wieder in die Leibeshöhle austritt. Dieser Prozess lässt sich besonders gut an den hellen Larven von Drosophila melanogaster beobachten: Injiziert man einen dunklen Farbstoff in ihr hinteres Körperende, kann man verfolgen, wie er nach und nach durch die Kontraktionen des Herzens in den vorderen Bereich des Körpers transportiert wird.

Eine Herzklappe aus zwei Zellen

Diese Methode setzten auch Achim Paululat und Christian Meyer in ihrer jüngst veröffentlichten Studie ein, in der sie eine besondere Struktur im Herzen der Fliegenlarven unter die Lupe nahmen: die zwischen Kammer und Aorta befindliche Herzklappe, die bei den Tieren nur aus zwei Zellen besteht und über deren Funktion bislang wenig bekannt war. Dazu untersuchten die Forschenden sowohl Drosophila-Larven mit normal entwickelten Herzen als auch solche, deren Klappenzellen aufgrund einer genetischen Veränderung mehr oder weniger stark untypisch ausgebildet waren. 

Die Klappenzellen beeinflussen die Herzleistung

Die Experimente des Teams enthüllten, dass sich die Herzklappen stark auf die Strömungseigenschaften des Fliegenherzens auswirken. Dabei legen die Ergebnisse folgende Funktionsweise der besonderen Zellen nahe: Während der Diastole verschließen sie die Herzkammer zur Aorta hin und begünstigen so die Aufnahme von Hämolymphe aus der Leibeshöhle. Während der Systole wiederum verformen sie sich und öffnen so den Ausgang der Kammer, sodass die aufgenommene Hämolymphe in die Aorta strömen kann. Und wie bei uns Menschen, hat es offenbar auch für die Fruchtfliegen gesundheitliche Konsequenzen, wenn die Funktion der Herzklappen beeinträchtigt ist. So stellten die Forschenden fest, dass die Pumpleistung des Herzens von Larven mit fehlerhaft ausgeprägten Klappenzellen messbar verringert war. Zudem bewegten sich diese Tiere weniger als ihre Artgenossen mit normal ausgebildeten Herzklappen – und legten insgesamt deutlich geringere Strecken zurück.

Neu entwickelte Methoden im Einsatz

„Durch unsere Experimente konnten wir erstmals zeigen, dass im Insektenherz die Effizienz der Herzleistung durch Herzklappen beeinflusst wird“, erklärt Achim Paululat. „Die Methoden, die wir dabei eingesetzt haben, wurden zum Teil neu entwickelt und zum ersten Mal für die Untersuchung eines Insektenherzens eingesetzt.“

In zukünftigen Versuchen wollen die Forschenden noch die molekularen Mechanismen entschlüsseln, die die Bildung von Herzklappenzellen regulieren. Dadurch erhoffen sie sich neue Einblicke in die Evolution und die Funktion von Insektenherzen.

 

Publikation:

Meyer C. & Paululat A. (2025):  Valve cells are crucial for efficient cardiac performance in Drosophila. PLOS Genetics.

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