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117/2025
Neue Heimat für bedrohte Akademiker*innen

Forschen ohne Angst: Wie die Uni Osnabrück gefährdete Wissenschaftler*innen unterstützt

Wenn Wissenschaftler*innen wegen Krieg oder Verfolgung ihr Land verlassen müssen, steht oft ihre ganze Existenz auf dem Spiel. Die Universität Osnabrück hilft ihnen, hier eine neue akademische Heimat zu finden – ein herausforderndes Unterfangen. 

„Am 24. Februar 2022 wachte ich in meiner Wohnung in Odessa im Süden der Ukraine durch Explosionsgeräusche auf. Die Nachrichten bestätigten meine schlimmsten Befürchtungen: Es war Krieg ausgebrochen.“ So beginnt Prof. Tetiana Melnychuk die Schilderung ihres Weges von der Odessa School of Law an die Universität Osnabrück. Die Rechtswissenschaftlerin ist eine von aktuell zehn gefährdeten und/oder bedrohten Forschenden, die an der Uni Osnabrück Zuflucht und eine neue wissenschaftliche Heimat gefunden haben.

Bereits 2015 hat die Uni Osnabrück die Stelle Coordination Refugees @ UOS am Institut für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien (IMIS) eingerichtet, nach dem Kriegsausbruch in der Ukraine wurde die Beratung und Betreuung geflüchteter Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in das Referat Internationales/Global Engagement überführt. Darüber hinaus ist die Universität seit 2023 Mitglied in den Netzwerken Scholars at Risk und EURAXESS, und auch die Universitätsgesellschaft unterstützt die internationale Ausrichtung der Uni und diese Zielgruppe durch Überbrückungsgelder und Stipendienzuschüsse.

Viele geflüchtete Wissenschaftler dürfen nicht offen in Erscheinung treten, da sie sonst sich und ihre Familien in Gefahr brächten. Bei Tetiana Melnychuk ist das anders. Sie spricht offen über ihre Erfahrungen.

„Krieg ist auch für die Wissenschaft eine turbulente Zeit, in der die persönliche Sicherheit Vorrang vor anderen Lebensbereichen hat. Es ist sowohl psychisch als auch physisch schwierig, Selbstschutz und intellektuelle Arbeit unter einen Hut zu bringen“, sagt sie. Der Krieg habe alle ihre Pläne durchkreuzt, ihre beruflichen Möglichkeiten gestoppt und ihre akademischen Kontakte zerschlagen. „Als Frau, Mutter und Wissenschaftlerin stand ich vor zutiefst widersprüchlichen Herausforderungen.“

„Es geht ja nicht nur darum, aus einem Krisengebiet herauszukommen, sondern auch darum, seine Würde als Wissenschaftler zu wahren und entsprechend arbeiten zu können“, sagt Prof. Arndt Sinn vom Fachbereich Rechtswissenschaften der Uni Osnabrück. Er betreut derzeit zwei Ukrainerinnen als Mentor: nämlich Prof. Tetiana Melnychuk und Prof. Svitlana Mazepa von der Ternopil-Universität. Sie musste mit ihrer zwölfjährigen Tochter aus der Ukraine fliehen. „Einige meiner Studenten wurden im Krieg getötet“, erzählt sie. Auch die juristische Fakultät, in der sie arbeitete, sei durch einen Raketenangriff beschädigt worden.

Arndt Sinn kannte Svitlana Mazepa bereits vor dem russischen Angriff, da sich ihre Forschungsschwerpunkte zum Teil überschneiden. Tetiana Melnychuk war dem Rechtswissenschaftler bis dahin unbekannt. „Das war dann ein glücklicher Zufall – es zeigte sich nämlich, dass wir uns ebenfalls mit ähnlichen Fragestellungen beschäftigen“, so Prof. Sinn.

 „Als internationale Universität sehen wir uns in der Verantwortung, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die in ihren Heimatländern unter Druck geraten oder gefährdet sind, Schutz und Perspektive zu bieten“, sagt Prof. Andrea Lenschow, Vizepräsidentin für Internationales, Diversität und wissenschaftliche Qualifikation an der Uni Osnabrück. „Forschung lebt vom freien Austausch – wo dieser bedroht ist, leidet nicht nur die Wissenschaft, sondern die gesamte Gesellschaft. Es erfüllt uns mit Stolz, dass wir an der Universität Osnabrück gemeinsam mit engagierten Kolleginnen und Kollegen sichere Räume für Denken, Forschen und Lehren schaffen können.“

Und doch sind die Möglichkeiten, gefährdete Akademiker aufzunehmen, begrenzt – die Universität ist auf Stipendien und Förderprogramme angewiesen.

Hier laufen die Fäden bei Dr. Stephanie Held vom Referat Internationales/Global Engagement der Uni Osnabrück zusammen. Sie hat den Überblick über Netzwerke und Finanzierungsmöglichkeiten, hält die Kontakte zu den Fachbereichen mit den engagierten Mentoren und Mentorinnen, die bereit sind, mit ihr viel Zeit in die Beantragung von Förderungen und die Betreuung der gefährdeten Forschenden zu investieren, genauso wie zu vielen Stellen der Universitätsverwaltung von der Personalentwicklung bis zum VirtUOS, dem Gästehaus der Uni oder dem Apartmenthaus am Westerberg. Es müssen viele Zahnräder ineinandergreifen, damit es mit der Aufnahme klappt. „Und jede Krise, sei es in Afghanistan, dem Iran, dem Sudan oder Gaza, führt zu einer vermehrten Nachfrage“, so Stephanie Held.

Einer Nachfrage, der Hochschulen kaum nachkommen können. Nach dem Beginn des Ukrainekrieges legte die VW-Stiftung ein eigenes Förderprogramm speziell für diese Zielgruppe auf; doch das Programm ist inzwischen ausgelaufen, und andere Stipendien sind hochkompetitiv. Umso erfreuter können die beiden Ukrainerinnen vom Fachbereich Rechtswissenschaften sein: Sie haben Stipendien der Philipp-Schwartz-Initiative erhalten, die von der Alexander-von-Humboldt-Stiftung gefördert werden. „Das ist ein Elitestipendium, ein wahrer Ritterschlag“, sagt Arndt Sinn. „Aber die beiden sind auch einfach herausragende Wissenschaftlerinnen.“ 

Weitere Informationen für die Redaktionen:

Dr. Stephanie Held, Universität Osnabrück
Referat Internationales/Global Engagement
E-Mail:  stephanie.held@uos.de

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