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Pressemeldung

Nr. 140 / 1999

22. November 1999 : Ausstellungsgeschichte des 20. Jahrhunderts: Datenbank zur "Entarteten Kunst" - Volkswagen-Stiftung förderte EDV-Studienprojekt im Osnabrücker Fachgebiet Kunstgeschichte

Not macht erfinderisch: Papier war knapp in den Nachkriegsjahren, und so ließ der Kreis Teltow die Angaben zu einer Ausstellung 1945 in Blankenfelde auf die Rückseite amtlicher Papiere der Stadtverwaltung tippen. 50 Jahre später lieferte der improvisierte Katalog Nachwuchswissenschaftler Dirk Janssen wertvolle Daten für seine Untersuchungen zu "Entarteter Kunst". Janssens Arbeit ist Teil eines dreijährigen, von der Volkswagen-Stiftung finanzierten EDV-Studienprojektes zur Ausstellungsgeschichte des 20. Jahrhunderts, das jetzt im Fachgebiet Kunstgeschichte der Universität Osnabrück abgeschlossen wurde. Die Leitung lag bei Prof. Dr. Jutta Held, Dr. Gabriele Saure und Dr. Martin Papenbrock.

Die Ergebnisse von Dirk Janssens Recherche, die sich auf Gruppenausstellungen in Ostdeutschland von 1945 bis 1990 beziehen, flossen in eine Datenbank ein. Nach ihrer Auswertung muß, so sagt die Kunsthistorikerin Held, das Bild der im wesentlichen statischen Kulturpolitik der DDR korrigiert werden: Im Gegensatz zu parteinahen und staatlichen Institutionen, die fast ausschließlich Werke des "sozialistischen Realismus" zeigten, hatten die Museen größere Spielräume: Sie präsentierten auch einstmals "entartete" Werke der Avantgarde, die nun im Gegensatz zur sozialistischen Kunstauffassung standen. Wo im Dritten Reich die Grenze zwischen Akzeptanz und Ausgrenzung von avantgardistischen Künstlern verlief, hat das zweite Teilprojekt gezeigt, das sich mit den Ausstellungen deutscher Gegenwartskunst von 1933 bis 1945 befaßt. Prof. Held: "Auch die offizielle Linie der NS-Kulturpolitik wurde zuweilen durchbrochen."

Aus den beiden computerbasierten Ausstellungsdokumentationen entstand eine weitere Datenbank mit über 900 Biographien ehemals verfolgter Künstler. "Außer den wenigen berühmten ‚Entarteten‘ gab es vor allem viele heute vergessene Künstlerinnen, deren Karriere an den politischen Verhältnissen gescheitert ist", betont die Wissenschaftlerin. In einem vierten Teilprojekt wurde schließlich eine elektronische Bibliographie zur "Entarteten Kunst" erarbeitet.

An dem EDV-Studienprogramm der Volkswagen-Stiftung sind neben Osnabrück sieben weitere kunsthistorische Institute und Arbeitsgruppen mit unterschiedlichen Fragestellungen beteiligt. Gemeinsames Ziel sind Erkenntnisse darüber, wie die Elektronische Datenverarbeitung in der Kunstgeschichte sinnvoll eingesetzt werden kann.

Die Osnabrücker Doktorandin Anna Greve nahm im Marburger Archiv, der wichtigsten kunsthistorischen Dokumentationsstelle in Deutschland, an Arbeitsgruppen teil: "Die neuen Informationstechnologien werden das traditionelle kunsthistorische Methodenspektrum nicht ersetzen, aber bereichern." Prof. Held ist sich sicher, daß sie vor allem die Arbeitsvoraussetzungen in kleineren Institutionen enorm verbessern können.

Die Projektergebnisse werden voraussichtlich Ende des Jahres auf CD-ROM und als Buch vorliegen.

Kontaktadresse:
Prof. Dr. Jutta Held
Universität Osnabrück
Fachbereich Kultur- und Geowissenschaften
Fachgebiet Kunstgeschichte
Katharinenstraße 5, 49069 Osnabrück
Tel. (0541) 969-4441, Fax (0541) 969-4789