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Pressemeldung

Nr. 132 / 2003

14. August 2003 : Aus den Augen, aus dem Sinn? - Uni Osnabrück untersuchte Verhalten von Besuchern des Nussbaum-Hauses

Wie verhalten sich Museumsbesucher, wenn sie eine Ausstellung soeben verlassen haben? Beschäftigt sie noch das gerade Gesehene? Oder sind sie mit ihren Gedanken längst ganz woanders? Auf diese Fragen suchte der Soziologe Prof. Dr. Carsten Klingemann von der Universität Osnabrück mit seinen Studenten eine Antwort. Das Ergebnis fällt überraschend aus.

»Ziel war es, nach Auswertung der Besucherbefragungen und von mehreren Hundert Einträgen in die Gästebücher sowie der Experteninterviews mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nun auf andere Art weitere Besucherreaktionen zu erfassen«, erklärt Klingemann. Zu diesem Zweck postierte der Wissenschaftler vor der Tür des Osnabrücker Nussbaum-Hauses einen Maler, der sichtbar für alle an einem Porträt Nussbaums arbeitete. Die Besucher mussten an ihm vorbei und die als Touristen getarnten Studierenden verfolgten aufmerksam deren Reaktionen. Zudem wurde in einem gegenüberliegenden Gebäudefenster eine Kamera aufgestellt, mit deren Hilfe das Verhalten der Besucher ebenfalls analysiert werden konnte.

Die Ergebnisse des Versuchs überraschten die gesamte Gruppe. Kaum einer der Besucher hatte auch nur einen interessierten Blick für den Maler übrig. Die meisten gingen einfach an ihm vorbei. Die Verbindung der gerade betrachteten Bilder mit dem Künstler, der den Kopf Nussbaums malt, schien den meisten nicht aufgefallen zu sein. Klingemann hat dafür gleich mehrere Erklärungen parat: »Es gibt Besuchern, die ihre zum Teil hoch emotionalen Eindrücke mehr oder weniger detailliert zum Beispiel im Gästebuch mitteilen. In Gegensatz dazu mag es andere geben, die nach der aufrührenden Konfrontation mit dem Künstler Felix Nussbaum, seinem Tod in Auschwitz und der provozierend-verstörenden Architektur des Libeskind-Baues einfach ›abschalten‹ müssen.« Denkbar sei auch, dass einem einfach die Worte fehlen oder aber eine gewisse Scheu vorhanden ist, sich in der Öffentlichkeit als Kritiker oder Bewunderer des Künstlers oder der Architektur zu präsentieren.

Weitere museumspädagogische Schlüsse will der Soziologe aus dem Versuch nicht ziehen. »Denn unsere anderen Beobachtungen belegen, dass Nussbaum und der Museumsbau in nicht geringem Umfang heftige Reaktionen erzeugen, wobei die stets angebotenen Vermittlungsbemühungen hilfreich sein können, Verständnis zu wecken. Doch die Kunst des Künstlers und der Architektur haben ein Anrecht auf Autonomie, das nicht durch pädagogisierende Deutungshilfen legitimiert werden muss. Nicht jede Ästhetik muss allen gefallen.«

Weitere Informationen:
Prof. Dr. Carsten Klingemann, Universität Osnabrück,
Fachbereich Sozialwissenschaften,
Seminarstr. 33 , 49069 Osnabrück
Tel. +49 541 969 4630, Fax +49 541 969 4600,
e-mail: Carsten.Klingemann@Uni-Osnabrueck.DE