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Pressemeldung

Nr. 137 / 2002

20. November 2002 : Der Informationsverarbeitung auf der Spur - Universität Osnabrück eröffnet neues Institut für Kognitionswissenschaft - Interdisziplinäre Forschungsansätze - 3,2 Mio. Euro vom Land Niedersachsen

Wer vor 100 Jahren geboren wurde, erlebte Pferdekutschen und nutzt heute das Internet. Mal angenommen, er würde noch älter werden, was mag er alles kennen lernen? Fragen, die indirekt die Wissenschaftler am neu gegründeten Institut für Kognitionswissenschaft (IKW) an der Universität Osnabrück beschäftigen. Fachbereichsübergreifend wird dort über die Informationsverarbeitung des Gehirns unter Einbeziehung von Wahrnehmung und Motorik geforscht. Der Aufbau des in Deutschland bislang einmaligen Institutes wird mit 3,2 Mio. Euro vom Land Niedersachsen gefördert.

Die Kognitionswissenschaft ist Mitte der siebziger Jahre als neue Wissenschaftsdisziplin im Grenzbereich zwischen Psychologie, Informatik, Lin-guistik, Neurowissenschaft und Philosophie entstanden. Sie erforscht Prozesse, die sich zwischen Wahrnehmung und motorischer Reaktion abspielen. Dazu gehören Vorgän-ge im Gedächtnis, beim Lernen, Denken, Problemlösen und Sprechen. Im Mittelpunkt stehen die Fähigkeiten natür-li-cher wie technischer kognitiver Systeme zur Informationsverarbeitung. Ziel ist es, formale Theorien kog-nitiver Prozesse zu entwickeln, sie in natürlichen Systemen empirisch zu erfassen und mit Hilfe eines Computers zu simulieren. 1998 richtete die Universität Osnabrück als erste Hochschule in Deutschland einen grundständigen Studiengang Cognitive Science ein.

Dank einer glänzenden Beurteilung durch das Niedersächsische Ministerium für Wissenschaft und Kultur (MWK) konnte nun der Aufbau der neuen Osnabrücker Instituts für Kognitionswissenschaft in die Wege geleitet werden. Grundvoraussetzung war ein erweiterter Gedanke von der Zusammenarbeit verschiedener Fächer an der Universität. "Es reicht nicht, die Erkenntnisse der Einzeldisziplinen zusammenzutragen. Vielmehr ist es notwendig, ein gemeinsames Verständnis des Untersuchungsgegenstandes zu entwickeln und das Methodeninventar gemeinsam zu nutzen, um neue Fragen stellen und neue Antworten finden zu können", erklärt Institutsdirektor Dr. Claus Rollinger. Heute sind 27 Wissenschaftler an den Projekten des IKW beteiligt, und der Aufbau ist noch nicht abgeschlossen.

Ein Projekt beschäftigt sich mit dem Virtuellen Campus. Entwickelt wird ein intelligentes Internet-basiertes Prolog-Tutor-System, das in Lehrveranstaltungen zum logischen Programmieren eingesetzt wird. Ein anderes Projekt entwickelt eine spezielle Suchmaschine für das Internet namens GERHARD. Das steht für German Harvest Automated Retrieval and Dictionary, dem schnelleren Erfassen und Herausfiltern wissenschaftlicher Daten aus dem weltweiten Netz.

Ziel des Projektes Comparative Cognitive Robotics ist die Entwicklung von Robotermodellen des Lernens von Lebewesen. Dabei wird mit dem Institut für Neuroinformatik der ETH und Universität Zürich und dem Fachbereich Psychologie der Universität Dresden zusammengearbeitet. In Osnabrück werden Daten zum unbewussten, sogenannten impliziten Sequenzlernen gesammelt, um die bestehenden neuronalen Modelle zu validieren und zu erweitern.

Doch auch das menschliche Sein wird nicht ausgeblendet: Wie gut ist das Leben, fragt sich zum Beispiel der Osnabrücker Philosophieprofessor Dr. Wolfgang Lenzen in seinem IKW-Projekt. Behandelt werden ethische Fragen, zum Beispiel zur Einführung der Biotechnologie.

Institutsdirektor Rollinger betont auch die Nachwuchsförderung im IKW. So wurde eine Graduate School mit Unterstützung des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) ins Leben gerufen. Durch einen Aufbaustudiengang sollen zwölf Doktoranden in einem engen Betreuungsverhältnis gefördert werden. Bereits drei Berufungsverfahren sind angelaufen. Für den Bereich Neuroinformatik, dann für die Philosophie der Kognition und für die Neurobiopsychologie, einem Fach, in dem es um das Zusammenwirken von Neurobiologie, Neuropsychologie und Biopsychologie geht.

Weitere Informationen:
Prof. Dr.-Ing. Claus R. Rollinger
Direktor des Instituts für Kognitionswissenschaft (IKW) der Universität Osnabrück
Katharinenstr. 24, D-49074 Osnabrück
Telefon: (0541) 969-6221, Telefax: (0541) 969-6210
Internet: www.ikw.uni-osnabrueck.de

27 Wissenschaftler sind an den Projekten des IKW beteiligt. Die Mitglieder des Instituts kommen aus den folgenden Bereichen:
- Philosophie des Geistes / der Kognition: Prof. Dr. W. Lenzen, PD Dr. A. Stephan (hier wird z.B. die Frage des Sich-Selbst-Bewusst-Seins bearbeitet)
- Computerlinguistik, Sprachwissenschaft und Psycholinguistik: Prof. Dr. P. Bosch, Prof. Dr. W. Thümmel, Prof. Dr. R. Weingarten (hier werden z.B. Schreibprozesse und Fragen der Bedeutung sprachlicher Äußerungen untersucht sowie intelligente Sprachlehr- und -lernsysteme entwickelt)
- Kognitionspsychologie, Persönlichkeitspsychologie und Arbeits- und Organisationspsychologie: Prof. Dr. F. Schmalhofer, Prof. Dr. J. Kuhl und PD Dr. K.-Ch. Hamborg (hier stehen z.B. kognitive Modelle, Fragen der Motivation und die Benutzbarkeit von Software im Zentrum)
- Künstliche Intelligenz und Theoretische Informatik: Prof. Dr. C. Rollinger, PD Dr. U. Schmid, Prof. Dr. V. Sperschneider (hier wird z.B. über Intelligente Lehr- und Lernsysteme gearbeitet)
- Neurobiopsychologie, Neurobiologie und Neuroinformatik: Prof. Dr. G. Jeserich, Dr. B. Hammer (hier stehen Fragen der Funktionsweise des visuellen Systems und der Regelextraktion aus Künstlichen Neuronalen Netzen im Vordergrund)