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Pressemeldung

Nr. 153 / 2002

10. Dezember 2002 : »Dunkle Seiten der Wissenschaftsgeschichte« - Universität Osnabrück eforscht Geschichte der Bevölkerungswissenschaft

Bevölkerungswissenschaftler waren in vielfacher Weise in die verbrecherische Bevölkerungs- und Sozialpolitik des Nazi-Regimes involviert. "Ohne ihre Mitwirkung wären die Umsiedlungen, die ‚Rassenhygiene‘, die Euthanasie oder die Wirtschafts- und Bevölkerungsplanungen im besetzten Polen kaum denkbar gewesen", erklärt der Soziologe Prof. Dr. Carsten Klingemann. Zusammen mit Dr. Hansjörg Gutberger vom Fachbereich Sozialwissenschaften der Universität Osnabrück arbeitet er in dem umfassenden Projekt "Sozialwissenschaftliche Bevölkerungswissenschaft von der Weimarer Republik bis in die 60er Jahre der Bundesrepublik Deutschland". Finanziert wird ihre Arbeit mit 102.500 Euro von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG).

Wissenschaftsprogramme, die in ihren Wurzeln bis weit ins 19. Jahrhundert zurückreichen, erwiesen sich für die neuen Machthaber in ihrer Zweckrationalität als 'nützlich'. Andererseits bot der NS-Staat den Bevölkerungswissenschaftlern geradezu ein Laboratorium für inhumane Bevölkerungsstudien und Menschenversuche. Nicht nur der Wert eines einzelnen Menschen galt als berechenbar, sondern ganze Bevölkerungs- und Sozialstrukturen sollten exakt neu arrangiert und 'gestaltet' werden, meint Klingemann. Die Analysen beinhalteten immer auch den Ausschluss und die Steuerung von Gruppen, zum Beispiel ökonomisch 'Überschüssige', die zugleich ethnisch definiert oder als 'unerwünscht' normiert waren. "Es sind insbesondere diese dunklen Seiten der Wissenschaftsgeschichte, die im DFG-Schwerpunktprogramm benannt und aufgearbeitet werden sollen", so der Soziologe.

Obwohl sich im westlichen Nachkriegsdeutschland die ideologisch aufgeladenen Sozialutopien als unhaltbar erwiesen, blieb das in Nazi-Deutschland erprobte empirische Instrumentarium der Bevölkerungswissenschaftler bestehen. "Galt es doch nun, die zerstörten Städte mit Menschen neu zu 'besiedeln' und das große Kontingent der Flüchtlinge in die westdeutsche Gesellschaft zu integrieren", erklärt Klingemann. Die beiden Soziologen werden Anfang des nächsten Jahres erste Ergebnisse ihrer Arbeit vorlegen und einen Antrag auf Verlängerung des Projekts um weitere zwei Jahre stellen.

Informationen:
Prof. Dr. Carsten Klingemann, Universität Osnabrück,
Fachbereich Sozialwissenschaften,
Seminarstraße 33, 49069 Osnabrück,
Tel. (0541) 969-4833 -4630, Fax (0541) 969-4600
e-mail: cklingem@Uni-Osnabrueck.de