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Pressemeldung

Nr. 26 / 2004

13. Februar 2004 : Selbstbefruchtung als Standortvorteil - Biologen der Universität Osnabrück starten neues Forschungsprojekt

Die meisten heimischen Blütenpflanzen tragen weibliche und männliche Organe in einer Blüte. Wie für alle Organismen ist es für sie wichtig, durch Kreuzung eine Durchmischung des Erbguts zu gewährleisten. Nur so können sich die Pflanzen den Anforderungen sich ändernder Umweltbedingungen anpassen. Sie haben verschiedene mechanische und genetische Systeme entwickelt, um eine Bestäubung des Fruchtknotens mit Eigenpollen derselben Blüte zu verhindern. Eines dieser Systeme ist die so genannte genetische Selbst-Inkompatibilität (SI-System) der Kreuzblütler. Was passiert jedoch, wenn das SI-System zusammenbricht? Biologen der Arbeitsguppe Spezielle Botanik an der Universität Osnabrück beschäftigen sich nun mit den evolutiven Konsequenzen solcher Zusammenbrüche. Dieses Projekt ist Teil des Schwerpunktprogrammes »Radiationen - Genese biologischer Diversität« und wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) mit rund 150.000,-Euro gefördert.

Beim SI-System sind in den äußeren Membranen des Pollenempfangsgewebes Proteine verankert, die zwischen Fremd- und Eigenpollen unterscheiden können. In vielen Arten komme es mitunter zu Zusammenbrüchen dieses Systems, erklärt die Osnabrücker Biologin Barbara Neuffer. »Dann sind die Pflanzen in der Lage, sich selbst zu befruchten, sie sind selbst-kompatibel (SC).« Dadurch erlangen diese Arten Eigenschaften, die die Nachteile des Verlustes der genetischen Vielfalt überwiegen. Sie verschaffen ihnen entscheidende Vorteile gegenüber den fremdbestäubten Arten. Von Vorteil ist allein die Unabhängigkeit von Kreuzungspartnern und die Fixierung von Gen-Kombinationen, die sich als erfolgreich erwiesen haben. Neuffer: »Das bedeutet, dass beispielsweise aus nur einem Samenkorn des Hirtentäschelkrautes eine einzige Pflanze durch Selbstbefruchtung bis zu 90. 000 Nachkommen produzieren und so eine ganze Population entstehen lassen kann. Der Zusammenbruch des SI-Systems ist daher häufig gekoppelt mit neuen Anpassungsstrategien und der Fähigkeit zu Kolonisierung.«

Die Arbeitsguppe Spezielle Botanik beschäftigt sich seit mehreren Jahrzehnten mit Untersuchungen der Familie der Kreuzblütler (Brassicaceae). Zu dieser Familie gehören neben wichtigen Kulturpflanzen wie Raps und Kohl, Zierpflanzen wie Schleifenblume und Blaukissen auch viele weltweit verbreitete »Unkräuter« wie das Hirtentäschelkraut (Capsella). Ausgehend von einer ursprünglich selbst-inkompatiblen Art des Hirtentäschels, die nur an wenigen Stellen in Griechenland verbreitet ist, kam es in anderen, nah verwandten Arten zu einem Zusammenbruch des SI-Systems. Dies führte zu einer globalen Expansion. »Daher ist das Hirtentäschelkraut ein ideales Objekt für Untersuchungen der molekularen Gründe und der evolutiven Konsequenzen des Zusammenbruches eines SI-Systems«, so die Doktorandin Melanie Paetsch.

Folgende Fragen stehen im Mittelpunkt der Untersuchungen: Was sind die molekularen Grundlagen für den Zusammenbruch des SI-Systems? Unterscheiden sich diese Änderungen im Erbgut des Hirtentäschelkrautes von denen anderer Brassicaceen wie der Ackerschmalwand (Arabidopsis) oder dem Doppelsamen (Diplotaxis)? Gibt es eine allen Kreuzblütlern gemeinsame molekulare Schwachstelle, an der das SI-System zerstört wird? Ist der Verlust der Fremdbefruchtung eine der Schlüsselinnovationen in der Evolution der Kreuzblütler?

Erste Antworten erhoffen die Wissenschaftler sechs Monaten. Das Projekt ist zunächst geplant für weitere vier Jahre.

Weitere Informationen:
Apl. Prof. Dr. Barbara Neuffer, Universität Osnabrück,
Fachbereich Biologie/Chemie,
Barbarastr. 11, D-49069 Osnabrück,
Tel. +49 541 969 -2827, Fax +49 541 96-3171,
e-mail: barbara.neuffer@biologie.uni-osnabrueck.de