Hauptinhalt

Topinformationen

Pressemeldung

Nr. 119 / 2003

28. Juli 2003 : Sind Kameruner geselliger als Deutsche? - Universität Osnabrück untersuchte Entwicklung von Motiven im Kulturvergleich

Warum tue ich, was ich tue? Auf diese Frage, eine Antwort zu finden, fällt mitunter schwer. »Oft sind wir selbst nicht in der Lage, unsere wirklichen Motive zu benennen. Das liegt daran, dass es in der Natur unserer Bedürfnisse liegt, unser Verhalten anzutreiben, ohne zu merken, was uns da gerade umtreibt«, erklärt Dr. Athanasios Chasiotis von der Forschernachwuchsgruppe »Kulturinformierte Entwicklungspsychologie der Lebensspanne« an der Universität Osnabrück. Der Psychologe und sein Kollege Dr. Jan Hofer haben verschiedene implizite, also nicht bewusste Motive untersucht. Die Studie wurde von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) mit insgesamt 45.000 Euro gefördert.

Psychologen versuchen seit langem durch indirekte Methoden unbewussten Motiven auf die Spur zu kommen. Der bekannteste solcher Tests ist der Thematische Apperzeptionstest (TAT). Die Idee dabei ist folgende: Legt man jemanden ein Bild vor, das undeutlich zwei Menschen abbildet, die auf einer Bank sitzen, und erzählt die Person dazu spontan eine Liebesgeschichte, hat sie eher ein ausgeprägtes Affiliationsmotiv. Das heißt, die Person hat ein Bedürfnis nach persönlichen Beziehungen. Wenn jemand bei dem gleichen Bild von Wissenschaftlern erzählt, die über einem Problem sitzen, hat die Person ein hohes Leistungsmotiv. Meint jemand auf dem Bild einen Chef zu erkennen, der seinem Untergebenen Anweisungen gibt, ist das Machtmotiv bei dieser Person besonders ausgeprägt. Chasiotis: »Die Messung dieser drei Motive hat im nordamerikanischen und europäischen Raum eine lange Forschungstradition. Sie hat sich beispielsweise beim Leistungsmotiv als sehr effizient für die Voraussage von beruflichem Erfolg erwiesen.«

Bislang konnte allerdings nur theoretisch davon ausgegangen werden, dass die drei Basismotive universelle Gültigkeit besitzen. Es gibt kaum empirische, kulturvergleichende Daten darüber, ob diese drei Motive weltweit, also auch in weniger industrialisierten Ländern, auftreten. Dieser Frage sind die Wissenschaftler nachgegangen, in dem sie diese impliziten Motive in Deutschland, Costa Rica und Kamerun gemessen haben.

Ziel der knapp zweijährigen Untersuchung war es zunächst, in Kooperation mit den Universitäten von Bamenda (Kamerun) und San José (Costa Rica) Bildersets für die Motive zu entwickeln und zu testen, die auch in derartig sozioökonomisch und psychologisch stark unterschiedlichen Kulturen zuverlässige und gültige Messungen ermöglichen. Dabei ist es in umfangreichen Datenerhebungen gelungen, Instrumente zur Messung impliziter Motive für den Kulturvergleich zu entwickeln.

Vergleiche der Messungen zeigten, dass Deutsche sich durch ein stark ausgeprägtes Macht- und Leistungsmotiv, aber auch durch ein höheres Maß an Angst vor dem Alleinsein auszeichnen als Kameruner und Costaricaner. Die untersuchten Personen aus Costa Rica sind dagegen kaum macht-, aber sehr affiliationsmotiviert. Und die Kameruner sind vor allem als fürsorglich und gesellig zu charakterisieren. Chasiotis: »Da auch nach der Lebenszufriedenheit und der emotionalen Grundstimmung gefragt wurde, konnten wir feststellen, dass die Costaricaner am zufriedensten mit ihrem Leben waren, gefolgt von den Deutschen und den Kamerunern.« Obwohl die Kameruner mit ihrer augenblicklichen Lebenssituation am wenigsten zufrieden waren, gaben die deutschen Probanden eine deutlich negativere Gefühlslage an als diese.

So ergibt sich insgesamt das Bild glücklicher Costaricaner, eher unzufriedener, aber solidarischer Kameruner und leistungs- und machtorientierter, missgestimmter Deutscher. »Dass diese Ergebnisse an gewisse kulturelle Stereotypen erinnern, ist nicht zu leugnen. Wichtig ist aber, dass es sich hier nicht um Angaben handelt, die möglicherweise durch eine sozial erwünschte Selbstdarstellung beeinflusst werden. Solche werden oft in sozialwissenschaftlichen und psychologischen Untersuchungen beschrieben. Vielmehr sind es Auskünfte, die von den untersuchten Personen kaum beeinflussbar waren und damit ein höheres Gültigkeitsmaß haben könnten«, erklärt Chasiotis.

Weitere Informationen:
Dr. Athanasios Chasiotis, Universität Osnabrück,
Fachbereich Humanwissenschaften, Lehreinheit Psychologie,
Seminarstr. 20, 49069 Osnabrück
Tel. +49 541 969 4208, Fax +49 541 969 4770,
e-mail: Athanasios.Chasiotis@Uni-Osnabrueck.DE