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Pressemeldung

Nr. 26 / 2015

28. Januar 2015 : Für die Freiheit der Wissenschaft

Im Grundgesetz heißt es unter Artikel 5, Absatz 3: »Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei.« Die Universität Osnabrück sieht dieses Grundrecht bedroht und spricht sich gegen wissenschaftsfeindliches Denken aus.

Im Herbst 2012 wurde an der Universität Osnabrück das Institut für Islamische Theologie gegründet. Inzwischen forschen und lehren dort mehr als 40 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, sieben davon als Professoren, gemeinsam in einem toleranten und weltoffenen Klima, geprägt durch die unterschiedlichen Herkunftsländer der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Aufgrund der Ereignisse in Paris, aber auch im Zusammenhang mit Pegida, sind die Mitglieder des Instituts immer wieder gefordert, zu den Ereignissen öffentlich Stellung zu beziehen. In zahlreichen Reaktionen darauf zeigt sich, dass einige Menschen eine andere Meinung vertreten als unsere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Im Sinne der freien Meinungsäußerung, mithin einem Grundpfeiler unserer freiheitlichen Demokratie, ist dies nicht nur rechtens, sondern bildet darüber hinaus die Grundlage für eine rational geführte Diskussion. Dass indes einige Bürgerinnen und Bürger das Fehlen vernünftiger Argumente durch wüste Beschimpfungen, Beleidigungen bis hin zu Drohungen gegen die muslimischen Kollegen zu kompensieren versuchen, ist nicht hinnehmbar, zeigt es doch, dass offenbar neben der Pressefreiheit ein weiteres wichtiges verfassungsrechtlich garantiertes Grundrecht bedroht ist: die Freiheit der Wissenschaft.

Seit dieses Postulat der Freien Wissenschaft existiert, gibt es Tendenzen, diese von verschiedenen Seiten her einzuschränken. Erinnert sei an den sogenannten Positivismusstreit in den sechziger Jahren und die Debatten um die Werturteilsfreiheit in den Sozial- und Gesellschaftswissenschaften. Auch wenn die damalige Diskussion heute auf den ersten Blick überkommen erscheint, sind die beiden sich gegenüberstehenden Positionen immer noch aktuell – vielleicht sogar aktueller als jemals zuvor: auf der einen Seite der Anspruch einer wissenschaftlichen Erkenntnisfreiheit, die sich an einem humanistischen Menschenbild und der Entwicklung eines friedlichen toleranten Zusammenlebens orientiert, und auf der anderen die Forderung nach Unterordnung der Freiheit des Denkens und Forschens unter pseudoreligiöse oder pseudowissenschaftliche Interessen. Der mit dieser Sichtweise einhergehende Druck, wissenschaftliche Erkenntnisse nicht als objektive, wenngleich immer wieder neu zu überprüfende Fakten anzusehen, wird heute von verschiedenen Seiten auf Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ausgeübt – und bedroht damit die Wissenschaft als Ganzes.

Die islamfeindlichen Bewegungen der vergangenen Wochen, denen sich unsere Universität sowohl als Stätte der Toleranz und des friedlichen Miteinanders als auch als Ort des freien Denkens, Forschens, Lehrens und Lernens entschieden entgegenstellt, sind ein Sinnbild dieser sowohl menschenverachtenden als auch wissenschaftsfeindlichen Einstellung. Dagegen setzt die Universität Osnabrück auf das Bemühen um die Vermittlung der islamischen Theologie an künftige Imame, an Religionslehrerinnen und Religionslehrer. Auf dem Gebiet der Politik- und Sozialwissenschaften leistet das deutschlandweit einmalige Institut für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien unserer Universität zudem wertvolle Beiträge zur gesellschaftlichen Integration von Muslimen. In beiden Bereichen ist die akademische Offenheit für den freien und erkenntnisfördernden Dialog dabei unabdingbare Voraussetzung.

Würde sich eine Hochschule den Einschränkungen, die mit einem fremdenfeindlichen, rassistischen und intoleranten Menschenbild verbunden sind, beugen, käme dies einer Selbstaufgabe gleich. Zugleich wären Tür und Tor geöffnet für eine Einflussnahme, die auch von Seiten anderer Gruppierungen auf die Universität ausgeübt werden könnte. Beispielhaft erwähnt seien hierbei sogenannte Kreationisten oder Vertreter des »intelligent designs«, die insbesondere naturwissenschaftliche Erkenntnisse aus Sicht pseudoreligiöser Positionen ins Visier nehmen. Diesem Druck wird sich unsere Universität entgegenstellen. Erinnert sei hierbei an den Wissenschaftsphilosophen Karl Raimund Popper, der sowohl für eine freie Wissenschaft als auch für eine offene humanistische Gesellschaft eintrat. Einer Gesellschaft, der nur Erkenntnisse, die im freien wissenschaftlichen Arbeiten entstanden sind, wirklich zugute kommen.