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Pressemeldung

Nr. 100 / 2017

30. Mai 2017 : Ein engagierter Forscher und Lehrer - Die Universität Osnabrück trauert um Prof. Dr. Heinrich Mohr

Die Universität Osnabrück trauert um Prof. Dr. Heinrich Mohr, der am 22. Mai im Alter von 78 Jahren verstarb. Mohr war von 1974 bis 2003 als Professor für Literaturwissenschaft an der Universität tätig.

Prof. Dr. Heinrich Mohr

Geboren 1938, studierte Mohr nach seinem Abitur Deutsch, Geschichte, Politik, Philosophie in Freiburg, Berlin, München. 1965 erfolgte die Prüfung für das Lehramt für Gymnasien, ein Jahr später die Promotion. Von 1966 bis 1968 war er als Wissenschaftlicher Assistent an der Universität Bochum, dann bis 1971 an einer Universität in Frankreich als Lektor für Deutsche Sprache und Literatur tätig. 1974 wurde er an die Uni Osnabrück als Professor für Literaturwissenschaft (unter Einschluss der Sozialgeschichte der Literatur) berufen, 2003 ging er in den Ruhestand.  

Prof. Mohr hat sich sowohl national als auch international einen Namen als exzellenter Kenner der DDR-Literatur gemacht. Ein Forschungsgebiet, welches ihn in den siebziger Jahren zum Ziel der Ausspähtätigkeit des Ministeriums für Staatsicherheit machte. So entnahm er nach dem Zusammenbruch der DDR seiner Stasiakte, er strebe an, „Nachwuchsautoren der DDR gezielt in der BRD aufzubauen, um diese Autoren damit in Konflikt mit der Kulturpolitik der Partei und Regierung zu bringen... Der M. ist seinem Wesen nach ein Organisator der P(olitisch) I(deologischen) D(iversion)."    

Als Heinrich Mohr diesen Aktenvermerk von 1980 zehn Jahre später zu Gesicht bekam, kommentierte er ungläubig: »Man weiß, dass ich fast unfähig bin, meinen Schreibtisch aufzuräumen. Und nun wurde ich erkannt als 'Organisator der politisch-ideologischen Diversion'.« Seine Proteste nutzten indes nichts: Die DDR erteilte ihm Einreiseverbot.  

Mohr - so Prof. Dr. Andrea Grewe, damalige Dekanin des Fachbereichs Sprach- und Literaturwissenschaft, bei seiner Verabschiedung 2003 - stand für eine Literaturwissenschaft, die zur »Selbstverständigung« unserer Gesellschaft beiträgt und »ihr hilft, sich in dieser Welt zu verorten«. Schon während seines Studiums in Berlin, schrieb Heinrich Mohr später, nahm er »Anstoß daran, dass die Germanisten in den Universitäten der Bundesrepublik weder die Literatur aus der DDR noch die Literaturwissenschaft in der DDR zur Kenntnis nahmen«, und er fragte sich, »was sie eigentlich bewog, so ganz freiwillig ihre eigene Mauer zu bauen«. Hermann Kants "Aula" und Christa Wolfs "Nachdenken über Christa T." gehörten zu den ersten Romanen, über die er zwanzig- bis dreißigseitige Interpretationen publizierte. 1978 war er Mitbegründer und erster Vorsitzender des "Arbeitskreises Literatur und Germanistik in der DDR". Bis 1990 erschienen, von ihm mitherausgegeben, sieben Bände des "Jahrbuchs zur Literatur in der DDR". Als der Kreis nach der Wiedervereinigung umbenannt wurde in "Internationaler Arbeitskreis Literatur und Politik in Deutschland", wählten seine Mitglieder den alten ersten auch zum ersten neuen Vorsitzenden. Der Schriftsteller Erich Loest, 1981 aus der DDR in die Bundesrepublik übergesiedelt, war längst sein Freund. Mohr half ihm dabei, im Westen heimisch zu werden.  

An der Universität Osnabrück initiierte Heinrich Mohr die Verleihung zweier Ehrendoktorwürden: 1984 an den NS-Widerstandskämpfer Heinz Brandt sowie 1989 an den deutsch-jüdischen Emigranten und bedeutenden Exilforscher Ernst Loewy für sein weit beachtetes, mehrfach aufgelegtes Werk: "Literatur unterm Hakenkreuz. Das Dritte Reich und seine Dichtung". Darüber hinaus engagierte sich der Wissenschaftler auch für die regionale Kultur, insbesondere für das Theater Osnabrück.

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