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Pressemeldung

Nr. 141 / 2018

12. Juli 2018 : Enträtselung antiker astrologischer Texte - Dr. Cristian Tolsa aus Barcelona untersucht altgriechisches Kritodemos-Werk an der Universität Osnabrück

Wie hängen griechische Astrologie und Religion zusammen? Das wird der Klassische Philologe, Kulturwissenschaftler und Mathematiker Dr. Cristian Tolsa aus Barcelona (Spanien) an der Universität Osnabrück untersuchen. Mit einem zweijährigen Forschungsstipendium der Alexander von Humboldt-Stiftung für Postdoktoranden über 75.600 Euro ist er ab September 2018 für den Fachbereich Sprach- und Literaturwissenschaft tätig. Sein Gastgeber ist Professor Dr. Stephan Heilen, der seit 1993 zur antiken und frühneuzeitlichen Astrologie forscht.

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© Universität Osnabrück/ Elena Scholz

Dr. Cristian Tolsa ist für zunächst zwei Jahre Gastforscher an der Universität Osnabrück.

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© Universität Osnabrück/ Elena Scholz

Auf Einladung von Prof. Dr. Stephan Heilen (Foto links) untersucht Dr. Cristian Tolsa ein altgriechisches Kritodemos-Werk an der Universität Osnabrück.

Im Zentrum des Projekts steht der bisher wenig beachtete Schriftsteller Kritodemos. Er lebte im ersten Jahrhundert vor Christus und ist damit einer der frühesten auf Altgriechisch schreibenden Astrologen. Sein Werk könnte neue kulturhistorische Erkenntnisse liefern. Tolsa wird die Fragmente des Kritodemos-Werks „Hórasis“ (auf Deutsch „Vision“) erstmals sammeln, edieren und kommentieren. „Die antike Astrologie wurde in der Forschung aus verschiedenen Gründen zu oft von ihrem kulturellen Hintergrund isoliert, obwohl seit langem klar ist, dass sie in der ägyptisch-griechischen Welt in enger Verbindung mit der Religion entstand“, so Tolsa. „Auch in Mesopotamien war sie ein regulärer Teil der religiösen Praktiken.“

Tolsa sieht in Kritodemos einen bedeutenden Zeugen für das Zusammenwirken griechischer Astrologie und Religion. „Obwohl ihr Gesamtumfang nicht sehr groß ist, sind die Fragmente glücklicherweise so aussagekräftig, dass sie uns tiefe Einsichten in das Wesen, die Inhalte und den kulturellen Kontext von Kritodemos‘ Astrologie erlauben.“ Sein Werk bietet laut Tolsa auffällige Parallelen zum orphischen Mysterienkult. Insbesondere zeige die philologische Analyse der Fragmente, dass Kritodemos wahrscheinlich die sogenannten ‚Orphischen Hymnen‘ benutzt hat. Diese Hymnen galten in der Antike als Dichtungen des mythischen Sängers Orpheus. Tolsa: „In der Forschung wurde bisher vermutet, diese wichtige Sammlung kultischer Gedichte sei möglicherweise im zweiten Jahrhundert nach Christus entstanden. Angesichts der Parallelen in den Kritodemos-Fragmenten müssen die ‚Orphischen Hymnen‘ aber vielleicht um mehrere Jahrhunderte zurückdatiert werden.“

Neben religionshistorischen Fragen werfen die Fragmente auch textsortenspezifische Fragen auf: So gebe es starke Indizien dafür, dass das Werk ursprünglich ein Gedicht war, das im Versmaß iambischer Trimeter verfasst wurde. Eine solche Entwicklung vom poetischen Original hin zur Prosa-Umschrift sei bereits bei zwei anderen griechischen Astrologen sicher nachweisbar: „Anscheinend war es in der griechischen Antike typisch, dass astrologische Werke, wenn sie poetisch und somit weniger leicht verständlich abgefasst waren, von späteren Bearbeitern in Prosa umgeschrieben wurden.“

„Die Kritodemos-Fragmente enthalten zusätzlich mathematische Tabellen, die es zu verstehen und zu kommentieren gilt“, sagt Prof. Dr. Stephan Heilen. „Die Herausforderung, diesen vielseitigen Autor zu erschließen, erfordert also einen interdisziplinär qualifizierten Wissenschaftler wie Dr. Tolsa.“

Weitere Informationen für die Redaktionen:
Prof. Dr. Stephan Heilen, Universität Osnabrück
Fachbereich Sprach- und Literaturwissenschaft
Neuer Graben 40, 49074 Osnabrück
Tel.: +49 541 969-4910
E-Mail: stheilen@uni-osnabrueck.de