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Pressemeldung

Nr. 70 / 2021

19. Juli 2021 : Erstmals tödlicher Angriff von Schimpansen auf Gorillas beobachtet – Team um Osnabrücker Kognitionsbiologin untersucht nun Einflüsse von Nahrungskonkurrenz und Klimawandel

Ein Forschungsteam der Universität Osnabrück und des Max-Planck-Instituts für evolutionäre Anthropologie aus Leipzig hat erstmals tödliche Angriffe von Schimpansen auf Gorillas in freier Wildbahn beobachtet. Die neuen Erkenntnisse sind unter dem Titel „Lethal coalitionary attacks of chimpanzees (Pan troglodytes troglodytes) on gorillas (Gorilla gorilla gorilla) in the wild“ in der Fachzeitschrift Scientific Reports erschienen: www.nature.com/articles/s41598-021-93829-x

Zwei Schimpansen Großansicht öffnen

© Lara Southern | ozouga.org

Ein Forschungsteam der Universität Osnabrück und des Max-Planck-Instituts für evolutionäre Anthropologie aus Leipzig hat erstmals tödliche Angriffe von Schimpansen auf Gorillas in freier Wildbahn beobachtet.

Schimpansen sind in Ost- und Zentralafrika verbreitet und leben in einigen Gebieten, wie dem Loango-Nationalpark in Gabun, mit Gorillas gemeinsam im gleichen Habitat. In dem Park ist auch seit 2005 das Loango-Schimpansenprojekt verortet, das von Dr. Tobias Deschner (Primatologe am Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie) und Prof. Dr. Simone Pika (Kognitionsbiologin an der Universität Osnabrück) geleitet wird. Die Forschenden untersuchen in Loango das Verhalten von rund 45 Schimpansen mit einem besonderen Schwerpunkt auf ihre sozialen Beziehungen, Interaktionen mit Nachbargruppen, Jagdverhalten, Werkzeuggebrauch und Kommunikation.

„Interaktionen zwischen Schimpansen und Gorillas galten bislang als entspannt“, so die Verhaltensbiologin Simone Pika: „Wir haben beide Arten regelmäßig friedlich in Futterbäumen beobachtet und unsere Kollegen aus dem Kongo wurden sogar Zeugen von gemeinsamen Spielen zwischen Schimpansen und Gorillas.“

Tödliche Begegnungen zwischen beiden Menschenaffenarten wurden jedoch noch nie dokumentiert. „Unsere Beobachtungen liefern den ersten Beweis dafür, dass die Anwesenheit von Schimpansen einen tödlichen Einfluss auf Gorillas haben kann. Wir wollen nun untersuchen, was die Gründe für die überraschend aggressiven Interaktionen sind“, so Tobias Deschner.

Was genau war passiert? Die Doktorandin von Simone Pika und Tobias Deschner und Erstautorin der Studie, Lara M. Southern, erinnert sich an die erste Beobachtung im Jahre 2019: „Zunächst hörten wir nur Schreie der Schimpansen und dachten, wir würden eine typische Begegnung zwischen benachbarten Schimpansen-Gemeinschaften beobachten. Doch dann hörten wir Brusttrommeln, ein Imponierverhalten das charakteristisch für Gorillas ist, und stellten fest, dass die Schimpansen auf eine Gruppe von fünf Gorillas gestoßen waren."

In beiden im Artikel beschriebenen Begegnungen bildeten die Schimpansen eine Koalition und griffen die Gorillagruppen an, woraufhin die beiden Silberrücken und die Weibchen der Gruppen sich und ihre Kinder verteidigten. Die Silberrücken und mehrere erwachsene Weibchen konnten fliehen, während zwei Gorillakinder ihren Müttern entrissen und getötet wurden.

Die Autoren aus Osnabrück und Leipzig führen mehrere Erklärungen für die beobachteten Aggressionen an. Tötungen zwischen verschiedenen Arten können entweder als Jagdverhalten oder als Konkurrenz um Nahrung interpretiert werden. „Es könnte sein, dass das Zusammenleben von Schimpansen, Gorillas und Waldelefanten im Loango Nationalpark in Gabun zu stark erhöhter Konkurrenz um Nahrung geführt hat, die sich in Extremfällen in tödlichen Konflikten zwischen den beiden Menschenaffenarten entlädt“, erklärt Tobias Deschner. Eine solche Situation könnte auch durch den Klimawandel bedingten Rückgang der Produktivität des Regenwaldes bedingt sein, wie er vor kurzem in anderen Nationalparks in Gabun beobachtet wurde.

„Wir stehen erst am Anfang, die Auswirkungen der Nahrungskonkurrenz auf die Interaktionen zwischen den beiden Menschenaffenarten zu verstehen", sagt Simone Pika. „Unsere Studie zeigt, dass es noch sehr viel über unsere nächsten lebenden Verwandten zu erforschen und zu entdecken gibt, und dass der Loango Nationalpark mit seinem einzigartigen Mosaikhabitat ein einzigartiger Ort dafür ist.“
Zur Veröffentlichung: www.nature.com/articles/s41598-021-93829-x

Informationen für die Redaktionen:
Prof. Dr. Simone Pika
Universität Osnabrück
Vergleichende Kognitionsbiologie
Institut für Kognitionswissenschaft
Tel.: +49 151 40476144
spika@uos.de