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Pressemeldung

Nr. 35 / 2023

17. Mai 2023 : Forschungsprojekt zu Schlupflöchern in der höflichen Kommunikation

Forscherinnen und Forscher der Universität Osnabrück und University of California (Irvine) untersuchen in einem innovativen Kooperationsprojekt vage Formulierungen in der höflichen Kommunikation. 

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© Jens Raddatz

Prof. Dr. Nicole Gotzner

„Deine Arbeit war nicht sehr gut.“ – „Hast du gerade gesagt, dass meine Arbeit schlecht war?“ – „Nein, ich meinte, dass sie gut war, nur nicht sehr gut.“ Der Gebrauch von vagen Formulierungen, wie „nicht sehr gut“, stellt eine Kommunikationsstrategie dar, mit der Sprecherinnen und Sprecher negative Bedeutungen zurückziehen können, wenn es zu einer Konfrontation kommt. Wer diese sprachlichen Schlupflöcher nutzt, ermöglicht dem Gegenüber, sein soziales Ansehen zu wahren und wird daher als höflich wahrgenommen. Welche Rolle diese Strategien in der Kommunikation spielen und wie sich soziale Beziehungen durch sie ausdrücken, erforscht jetzt ein internationales und interdisziplinäres Team unter Leitung der Kognitionswissenschaftlerin Prof. Dr. Nicole Gotzner. Das Kooperations-Projekt der Universität Osnabrück und der University of California (Irvine, USA) wird mit knapp 30.000 Euro von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.

„Soziale Beziehungen bestimmen, welche sprachlichen Ausdrücke wir wählen. Und umgekehrt können wir aus den sprachlichen Ausdrücken ableiten, in welcher sozialen Beziehung Gesprächspartnerinnen und -partner zueinanderstehen. Ziel unseres Projekts ist es, ein computerbasiertes Modell zu entwickeln, das diese sozialen und sprachlichen Funktionen der Sprachwahl erkennen kann“, so Prof. Dr. Gotzner. Anwendungsbereiche eines solchen Modells finden sich in der aktuellen, sprachbasierten KI-Forschung, aber auch im Bereich der Psychologie von Emotionen, Moralphilosophie und Bildung/Erziehung. 

In vorherigen Studien konnte die Forscherin bereits nachweisen, dass Höflichkeitsstrategien eng mit den sozialen Beziehungen der Sprechenden verknüpft sind. Je nach Machtverhältnis, Geschlecht oder sozialer Distanz werden sie unterschiedlich genutzt und verstanden: „Ein Satz wie ‚Deine Rede war nicht schlecht‘ kann beispielsweise von Menschen, die sich als männlich identifizieren als Kompliment, im Sinne von ‚deine Rede war sehr gut‘ gemeint sein, wird aber von Menschen, die sich als Frauen identifizieren, eher als mittelmäßig interpretiert“, erklärt Prof. Gotzner. Ähnliche Unterschiede entdeckte das Team auch in der Kommunikation zwischen Mitarbeitenden und Vorgesetzen. Ihr Ergebnis: Wer mit einer höhergestellten Person spricht, benutzt häufiger vage Formulierungen. 

Das interdisziplinäre Forschungsanliegen umspannt Bereiche, die sonst nur selten zusammentreffen: Forscherinnen und Forscher aus Linguistik, Pragmatik, Experimenteller Psychologie und KI-Forschung arbeiten dafür eng zusammen. Um einen Austausch zwischen den verschiedenen Disziplinen der Universität Osnabrück und IC Irvine zu ermöglichen, finden bilaterale Workshops und Gastaufenthalte zwischen Prof. Nicole Gotzner und Prof. Gregory Scontras von der UC Irvine statt. Für den Anstoß des Kooperations-Projekts richtet das Team von Prof. Nicole Gotzner im September 2023 einen Workshop in Kombination mit einer Antrittsvorlesung zum Thema „Sprachliche Vagheit“ an der Universität Osnabrück aus. Das Projekt soll die Stärken beider Zentren in den Bereichen Kognitionswissenschaft, Sprache und Pragmatik bündeln.


 Weitere Informationen für die Redaktionen:
 Prof. Nicole Gotzner
 Professur Psycholinguistik/Neurolinguistik und Pragmatik, Uni Osnabrück
 Tel.: +49 541 969-3369
ngotzner@uni-osnabrueck.de