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Der Universität ein Gesicht gegeben

Mit Prof. Dr. Susanne Menzel-Riedl steht ab 1. Oktober erstmals eine Frau an der Spitze der Universität Osnabrück. Nach sechsjähriger Amtszeit übergab Prof. Dr. Wolfgang Lücke den Staffelstab an seine bisherige Vizepräsidentin für Forschung und Nachwuchsförderung. Das Zukunftskonzept UOS 2020, das DFKI Labor Niedersachsen sowie der Startschuss für den KI-Campus waren wichtige Wegmarken in der Amtszeit von Prof. Lücke. Seine Nachfolgerin möchte daran anknüpfen und vor allem die Internationalisierung der Universität voranbringen. Pressesprecher Utz Lederbogen sprach mit ihnen.

Interview Prof. Menzel, Prof. Lücke und Pressesprecher Lederbogen

Herr Prof. Lücke, nach sechs Jahren übergeben Sie das Präsidentenamt an Ihre Nachfolgerin Frau Prof. Menzel-Riedl. Worauf sind Sie stolz? Was ist Ihnen in Ihrer Amtszeit besonders gut gelungen?

Lücke: Darüber sollten eigentlich andere urteilen. Wenn ich zurückschaue, sind es eigentlich Leistungen, die die gesamte Universität erbracht hat. Ich glaube, die Menschen haben inzwischen verstanden, dass die Uni nicht vom Präsidenten oder einer Präsidentin gemacht wird, sondern dass sie sich selbst organisieren muss, und zwar bottom up. Anders hätten wir auch kein Zukunftskonzept bekommen, welches zu der Universität passt. Ich glaube, dass wir über die Identifikation der sechs Forschungsprofillinien auch festgestellt haben, wie stark wir sind oder wo wir stark sein könnten. Dadurch haben wir der Universität ein Gesicht gegeben. Dazu gehören auch die Forschungszentren und der KI-Campus.

Also eine sehr positive Bilanz?

Lücke: Das ist eine Leistung der gesamten Universität. Ich hatte das große Glück, dass ich mit einem Präsidium zusammenarbeiten konnte, das diesen Weg immer mitgegangen ist und maßgeblich mitbestimmt hat. Die Universität hat sich in den sechs Jahren, in denen ich ihr Präsident war, auf einen guten Weg gemacht und kann – davon bin ich überzeugt– auf eine sehr gute Zukunft blicken.

Was ist während Ihrer Amtszeit richtig schiefgelaufen?

Lücke: Viele Sachen. Da brauchen Sie nur in meine Antrittsrede schauen. Da stehen viele Dinge drin, ich mir gewünscht hätte, aber nicht umsetzen konnte. Beispielsweise ein Wissenschaftskolleg. Darüber ist die Zeit hinweggegangen. Das Studierendenzentrum haben wir bis jetzt nicht eröffnen können. Das hätte alles viel schneller laufen können. Aber immerhin gab es als letzte Amtshandlung den Spatenstich. Das Gebäude für die Studierenden liegt mir sehr am Herzen.  

Spatenstich Studierendenzentrum

Was hat Sie richtig geärgert?

Lücke:  Es gab Dinge, die für uns alle ein Tiefpunkt waren. Es macht wirklich keinen Spaß, Studiengänge wie die Kunstgeschichte zu schließen. Es ist aber Aufgabe des Präsidiums, auch mal Entscheidungen zu treffen, die unangenehm sind. Ich bin immer noch sehr dankbar, dass das Präsidium mir da zur Seite gestanden und diese Entscheidung mitgetragen hat. Was mich wirklich geärgert hat, waren die persönlichen Angriffe gegen mich und auch das Präsidium. Das fand ich zum Teil völlig unangemessen. Da ist viel hineininterpretiert worden. Das hat mich schon getroffen. Darüber wird aber nie gesprochen.

Frau Prof. Menzel-Riedl, laut einer Studie des Centrums für Hochschulentwicklung (CHE) sind Universitätsleitungen überwiegend männlich und durchschnittlich 59 Jahre alt. Was können Sie mit 43 Jahren als derzeit jüngste Universitätspräsidentin in Deutschland besser machen?

Menzel-Riedl: Jung an sich ist erst einmal kein Wert, den man in der Hochschulpolitik als Trumpf ziehen kann. Allerdings glaube ich, dass es schon hilfreich sein kann, jemanden an der Spitze einer Universität zu haben, die – wie in meinem Fall – den Weg der Juniorprofessur gegangen ist, ein vergleichsweise neuer Weg der Qualifizierung. Auch eine Person zu haben, die weiß, was das Leben sonst noch so an Herausforderungen birgt. Ich bin gerade in einer Phase, wo auch die Familie wichtig ist. Und ich glaube, dass es gut sein kann, solche Perspektiven mit einzubringen.

Sie sind verheiratet, haben zwei kleine Kinder, wohnen in Münster und haben ein Präsidentenamt in Osnabrück. Da staunt man. Wie ist das alles unter einen Hut zu bekommen, wie lässt sich das organisieren?

Menzel-Riedl: Das ist eine Herausforderung, die sich an jedem Tag neu stellt. Es würde auch nicht funktionieren, wenn meine Familie da nicht mitziehen würde. Ich bin darauf angewiesen, dass insbesondere mein wunderbarer Mann und die Netzwerke hinter mir stehen. Darauf kann ich bauen. Aber klar: Zeit ist die knappste Ressource. Das ist jetzt nicht die Lebensphase, wo ich sagen kann: Freizeit ist im Überfluss vorhanden. Organisation, Sie haben es gesagt, ist alles. Wenn eine Karte aus dem Kartenhaus gezogen wird, dann fällt es auch schon mal zusammen. Dann ist Improvisation gefragt.

Lehrsituation Biologiedidaktik mit Prof. Menzel

Was lockt Sie ganz persönlich an dieser neuen Aufgabe? Sie müssen ja Ihre Wissenschaftskarriere in der Biologiedidaktik aufgeben.

Menzel-Riedl: Persönlich reizt es mich, das weiterzuführen, was ich in den letzten drei Jahren im Präsidium mit aufgebaut habe. Viele Projekte wurden angestoßen, die ich nun weiterführen möchte. Auch habe ich die Erfahrung gemacht, dass ich in schwierigen Situationen eine konstruktive Rolle spielen kann. Das gibt einem im besten Sinne der Motivationstheorie ein Kompetenzerlebnis, das sehr motivierend auf den Arbeitsalltag wirkt. Und darauf freue ich mich wirklich.

In den vergangenen Jahren haben Sie beide gemeinsam mit Prof. Blasberg-Kuhnke und Prof. Bals im Präsidium die Geschicke der Universität gelenkt. Wo steht die Universität Osnabrück 45 Jahre nach ihrer Gründung?

Menzel-Riedl:  Aus meiner Perspektive ist es eine Universität geworden, die im besten Sinne Verantwortung für sich übernimmt. Das betrifft sowohl den Wissenschaftsbereich wie auch die Verwaltung.

Können Sie das an einem Beispiel näher erläutern?

Menzel-Riedl: In den Gesprächen mit den Fachbereichen bestand lange Zeit überhaupt kein Bewusstsein dafür, dass die Ressourcen auf allen Seiten endlich und begrenzt sind und dass die Frage, wie man Ressourcen zuweist, immer damit zu tun hat, wie viel Verantwortung man an die entsprechenden Einheiten weitergibt. Ich glaube, diese Transparenz hat es lange Zeit nicht gegeben und ohne Transparenz gibt es keine Selbstständigkeit. Ich bin ein großer Fan davon, dezentrale Einheiten zu stärken. Voraussetzung ist, dass die Verantwortung dann auch ernst genommen wird und Probleme vor Ort gelöst werden.

Lücke: Richtig, denn die Fachkompetenz für Forschung und Lehre liegt in den Einheiten. Aber diese müssen sie auch wahrnehmen. Am Ende ist es ein Teamspiel, weil wir nur begrenzte Ressourcen vom Land bekommen.

Und die Diskussion über die Reduzierung der Fachbereiche ist verstummt?

Lücke: Die Universität hat bewiesen, dass es auf die Fachbereichsabgrenzung nicht ankommt. Indem wir über den Fächerrand hinausgucken und in den Forschungsprofilen Disziplinen treffen, die früher nicht miteinander kommunizierten, haben wir – wie jetzt bei dem KI-Campus – neue Forschungsverbünde geschaffen. Damit sind wir möglicherweise sogar großen Universitäten überlegen, die in ihren fakultären Strukturen verhaftet sind. Der Blick über den Tellerrand hilft auch, eine größere Forschungsstärke zu erreichen. Dafür gibt es in den neuen Forschungszentren viele Beispiele.

Frau Prof. Menzel-Riedl, die erste Amtszeit beträgt sechs Jahre. Welche Ziele haben Sie sich gesteckt?

Menzel-Riedl: Für mich wäre der Idealzustand, wenn wir jetzt keine Kehrtwende vollziehen, sondern an dem Erreichten anknüpfen. Ein Punkt, der vielleicht in allen Bemühungen um den Strategieprozess noch ein bisschen zu kurz gekommen ist, ist die Internationalisierung. Ich habe schon eine Vision, was wir in sechs Jahren geschafft haben sollten.

Internationale Studierende an der Uni Osnabrück

Und wie sieht diese Vision aus?

Menzel-Riedl: Es wird wichtig sein, die Internationalisierung als echtes Querschnittsthema darzustellen. Wir sind gar nicht so schlecht, wie wir es vielleicht subjektiv wahrnehmen. Laut Datenbasis des DAAD liegen wir als mittelgroße Universität bei vielen Indikatoren zur Internationalisierung im Mittelfeld. Aber das reicht nicht. Internationale Studierende sind eine sehr interessante Zielgruppe für uns. Da haben wir die Möglichkeit, wirklich die besten Studierenden an unsere Uni zu holen.

Gilt das auch für die Forschung?

Menzel-Riedl: Ja, gerade im Grundlagenbereich. Der ist vielfach hoch spezialisiert. Da wäre die zusätzliche internationale Expertise eine große Bereicherung.

Wo liegt das Problem?

Menzel-Riedl: Die Internationalisierung wird alle Bereiche betreffen, von der Verwaltung bis zu den Lehrenden, die sich mit englischsprachigen Studienangeboten darauf einstellen müssen. Ein großes Thema ist da insbesondere die Sprache und die Sprachausbildung.

Durchgängige Lehrangebote in einer Fremdsprache gibt es eigentlich nur in den Kognitionswissenschaften und dem Master Biologie. Wird die Internationalisierung zur Mammutaufgabe?

Menzel-Riedl: Wir wollen da nicht mit der Brechstange vorgehen und mir-nichts-dir-nichts alles auf die englische Sprache umstellen. Aber wenn einige Einheiten sich schon mal Gedanken machen und vier bis fünf Veranstaltungen pro Lehreinheit in englischer Sprache anbieten, wäre das ein erster Schritt um Vorbehalte abzubauen.

Welche Vorbehalte gibt es bei den Lehrenden?

Menzel-Riedl: In einer Fremdsprache das eigene Fachgebiet lehren zu müssen – selbst wenn man über eine sehr hohe Sprachkompetenz verfügt – bedeutet immer eine Einschränkung in der Ausdrucksfähigkeit gegenüber der Muttersprache. Das ist etwas, was mit jahrelang entwickelten Lehrkonzepten auch sehr schmerzvoll sein kann.

Luftbild Schloss Osnabrück

Ein weiteres Ziel ist es, die Universität in der Stadt und im Umland sichtbarer zu machen und die Attraktivität von Wissenschaft zu steigern. Was wurde erreicht, was kann getan werden?

Lücke: Die Universität hat sich gegenüber der Stadt und dem Landkreis – also dem regionalen Umfeld insgesamt – geöffnet. Dabei spielt der Transfergedanke in beide Richtungen eine große Rolle. Aus meiner Sicht wird die Universität Osnabrück inzwischen anders wahrgenommen als es zu Beginn meiner Amtszeit gewesen ist.

Menzel-Riedl: Da gibt es auch noch Luft nach oben. Vor allem berührt das die Frage: Wie können wir der Gesellschaft ein größeres Vertrauen in die Wissenschaft ermöglichen? Transparenz in der Wissenschaft wird schon lange gefordert, um die gesellschaftliche Akzeptanz zu erhöhen. Ich bin mir aber nicht sicher, ob das immer gut gelingt. Wissenschaft in ihrer Komplexität einfach weiterzureichen, hat auch häufig gegenteilige Effekte. Wissenschaft aber nur auf die anwendungsorientierte Perspektive zu reduzieren, geht auch nicht. Hier den richtigen Weg zu finden, wird eine wichtige Aufgabe in den kommenden Jahren sein.

Lücke: Lassen Sie mich zu Ihrer Frage noch einen Punkt ergänzen: Ich würde mir sehr wünschen, dass die Bedeutung der beiden Hochschulen für die Stadt noch deutlicher begriffen wird. Ich glaube, vielen ist nicht klar, dass Osnabrück ein Hochschulstandort mit weit über 25.000 Studierenden ist, der in ungewöhnlicher Weise die Stadt, das Stadtbild und die Dynamik der Stadt und der Region prägt.

Was ist das Markenzeichen der Universität Osnabrück?

Menzel-Riedl: Wir sind eine junge und dynamische Universität...

Lücke: ... die sich besonders um die Studierenden und den akademischen Nachwuchs kümmert und dafür sorgt, dass unsere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sich bei uns wohlfühlen.

Mit der Hochschule Osnabrück gibt es zahlreiche Kooperationen, gemeinsame Studiengänge und auch Promotionen werden gemeinsam betreut. Gibt es für Sie noch eine Abgrenzung zwischen Universität und Fachhochschule?

Menzel-Riedl: Diese beiden Systeme haben unterschiedliche Ziele und Aufgaben. Bei der Fachhochschule steht der Anwendungsbezug im Vordergrund. Die Universitäten sind sehr stark der Grundlagenforschung in der Wissenschaft verhaftet und der engen Verbindung von Forschung und Lehre. Und hier braucht es Zeit und Raum, um bestimmte Forschungsfragen zu entwickeln und zu bearbeiten. Deshalb haben Fachhochschuldozenten auch traditionell das doppelte Lehrdeputat. Ich glaube es wäre kein guter Schachzug, diese Abgrenzung aufzugeben.

Der Präsident des Hochschullehrerbundes, Prof. Dr. Nicolai Müller-Bromley , forderte erst jüngst in der Deutschen Universitätszeitung ein eigenständiges Promotionsrecht für Fachhochschulen. Sollte es diese Möglichkeit geben?

Lücke: Das Promotionsrecht ist den Universitäten weltweit vorbehalten. Nirgendwo ist die Einheit von Forschung und Lehre zum erfolgreichen Abschluss einer Promotion so gut gegeben, wie an einer Universität. Warum wir jetzt einen anderen Weg gehen sollten, vermag ich nicht zu sehen. Dann müsste man auch die Frage beantworten, warum große Forschungseinrichtungen des Bundes kein Promotionsrecht haben.

Gibt es einen alternativen Weg?

Lücke: Ja, wir bieten zusammen mit der Hochschule kooperative Promotionen an und das scheint mir für die Zukunft der richtige Weg zu sein.

Die Exzellenzinitiative ist entschieden. Viel Geld und Stahlkraft ist den ausgewählten Universitäten gewiss. Die Universität Osnabrück ist leider nicht im Rennen, auch bei den Clusteranträgen nicht. Wie exzellent können mittelgroße Universitäten sein?

Lücke: Erlauben Sie mir die Vorbemerkung: Nicht jeder der in einer Exzellenzuniversität arbeitet, ist auch exzellent. Es sind einzelne Bereiche, die Cluster, durch die man exzellent wird. Ob dadurch eine Universität für Studierende und Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler besser adressierbar wird, ist eine große Frage. Wir sind auch auf verschiedenen Feldern durchaus exzellent, werben ERC-Grants ein, haben erfolgreiche DFG-Anträge, Maria-Goeppert-Mayer-Professuren und haben als einzige deutsche Universität zwei DFG geförderte Graduiertenkollegs in den Kognitionswissenschaften, das ist auch was Besonderes. Wir haben Professorinnen und Professoren, die von Exzellenzuniversitäten umworben werden und doch hier bleiben.

Promovend*innen bei der 1. Promotionsfeier 2019 an der Uni Osnabrück

Brauchen kleine und mittelgroße Hochschulen wie die Universität Osnabrück besondere Förderungen, vielleicht auch besondere Förderprogramme um in diesem Wettbewerb zu bestehen?

Menzel-Riedl: Man muss eben sehen, dass kleinere Universitäten es wirklich wesentlich schwieriger haben, an diesem System zu partizipieren. Die Exzellenzinitiative ist auf Verbünde ausgelegt. Für Verbünde brauchen Sie eine kritische Menge an Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen. Sie brauchen eine Geräteausstattung und eine gewisse technische Infrastruktur. Das ist für kleinere Unis wesentlich schwieriger zu leisten; hier bräuchten wir entscheidend mehr Unterstützung, um überhaupt an den Start gehen zu können.

Und vielleicht auch außeruniversitäre Forschungseinrichtungen im Umkreis....

Menzel-Riedl: ...die eine Geräteausstattung beisteuern und eine gewisse Forschungsexpertise einbringen. Sicher bin ich manchmal auch traurig, dass wir da nicht mitziehen können. Auf der anderen Seite müssen wir uns fragen: Wollen wir das überhaupt? Wie verändert sich dadurch unsere Universität? Das ist für mich eine offene Frage.

Lücke: Die Tatsache, dass wir das DFKI Labor Niedersachsen in Osnabrück und Oldenburg ansiedeln konnten, ist ja auch schon ein Ausdruck einer gewissen Exzellenz.

Pressetermin am Osnabrücker Ringlokschuppen als Forschungsstandort
LK: 10. Wissensforum Aula Schloss Osnabrück

Der KI Campus gehört sicher auch dazu?

Lücke: Es gibt im Augenblick kein aktuelleres Thema. Künstliche Intelligenz hat eine Affinität zu vielen Forschungen und Forschern hier an der Universität. Da haben wir viel Glück gehabt. Es war eine Chance, die wir hier im Land genutzt haben. Ich glaube, dass die Universität daraus in den nächsten Jahren großen Profit ziehen kann.

Frau Menzel-Riedl, in Ihrer Anhörung zum Präsidentenamt sprachen Sie auch über den Wunsch einer stärkeren dialogorientierten Kultur. Was haben sich Studierende und Beschäftigte ganz praktisch darunter vorzustellen?

Menzel-Riedl: Viele Konflikte können dadurch aufgelöst werden, dass man sich die Mühe macht, die faktische Detailarbeit mal offenzulegen und wirklich zu fragen: Wo sind Spielräume, wo sind keine, warum sind bestimmte Entscheidungen gefallen? Und das eben auch in Vorgesprächen mit den Personen, die betroffen sind. Zu oft sind solche Diskussionen durch Emotionen geprägt. Oder Entscheidungen haben den Anschein, dass sie aus purer Willensbildung heraus getroffen werden. Aber viele  Entscheidungen sind ja keine reinen Willensbildungen, sondern Kompromisse, die unter externen Zwängen geschlossen werden müssen. Ich glaube, dass es schon ganz hilfreich ist, auf genau diese Ebenen im Gespräch zu gehen und darzulegen, wo Spielräume sind und wo keine.

Welchen Stellenwert hat für Sie die Verwaltung?    

Menzel-Riedl: Ich habe innerhalb der letzten drei Jahre im Präsidium eine ganz andere Perspektive erlangt. Ich empfinde die Zusammenarbeit als sehr positiv und sehe eben auch, dass die Stabilität einer Universität sehr eng damit verknüpft ist, ob eine Verwaltung gut funktioniert oder nicht. Zunehmend hören wir im Präsidium gerade auch von neuberufenen Kolleginnen und Kollegen, dass sie überrascht sind, wie viel Unterstützung sie durch die Verwaltung bekommen. Da spielt eine gute Kommunikation eine große Rolle. Die Universität Osnabrück bietet viel Service, den es an anderen Universitäten nicht gibt.

Stichwort hochschulinterne Kommunikation. Hat sie sich aus Ihrer Sicht verbessert?

Lücke: Allein schon die Tatsache, dass wir das Präsidium um einen Vizepräsidenten erweitert haben, hat auch zu einer besseren Kommunikation beigetragen. Mehr Leute im Präsidium können auch besser und breiter kommunizieren.

Menzel-Riedl: Dieser Punkt der personellen Stärke ist wichtig. Strategie hat einen ganz großen Anteil kommunikativer Aspekte. Und das kann eine oder einer alleine nicht schaffen. Man muss wirklich schauen, dass strategische Entscheidungen – wie etwa die Umwandlung der interdiziplinären Institute und Forschungszentren – vernünftig in die Universität transportiert werden. Es muss mit den entscheidenden Personen gesprochen werden. Das ist schlicht nicht machbar, wenn die Leute nicht da sind, die solche Prozesse begleiten können.  

Wie könnte denn die latente Unterfinanzierung der Universität Osnabrück gemildert werden. Fühlen Sie sich von der Landesregierung ausreichend unterstützt?

Lücke: Das sind historisch gewachsene Ungerechtigkeiten. Einmal abgesehen von den zusätzlichen Professuren in der Islamischen Theologie hat es kaum einen Zuwachs der Grundfinanzierung gegeben. Zum Glück haben wir jetzt in dem Bund-Länder-Programm Tenure Track neun Stellen für Juniorprofessuren zugesprochen bekommen, die auch nach Beendigung des Programms vom Land verstetigt werden.

Menzel-Riedl: Ein Grundproblem ist, dass immer mehr Aufgaben an die Hochschulen herangetragen werden: Internationalisierung, Transfer in die Gesellschaft, Transparenz, Forschungsinformationssysteme, Digitalisierung in der Lehre. Viele Aufgaben wollen wir gerne annehmen. Wir bekommen dafür aber nichts zusätzlich. Nichts! Wir müssen die Ressourcen aus der Forschung und Lehre nehmen. Das ist ein Zustand, den prangere ich an.

Im Wettbewerb um die leistungsorientierte Mittelverteilung ist die Universität auf dem vorletzten Platz, muss Strafgebühren zahlen. Wie könnten die Drittmittel gesteigert werden?

Menzel-Riedl: Das Strategiepaket Forschung hat genau an diesem Punkt angesetzt. Jetzt haben wir einen Aufwuchs an Drittmitteln. Sie müssen aber bedenken, dass die LOM-Rechnung eine Input-Output-Rechnung ist. Je mehr wir hineinstecken in einzelne Bereiche, desto schwieriger wird es, in der Tabelle nach oben zu rutschen. Es ist also gar nicht der Netto-Output an Drittmitteln, der zu der schlechten Bilanz führt, sondern eigentlich die Investitionspolitik.

Lehrsituation in einem Seminar

Kommen wir noch zu einem Bereich, der weniger Drittmittel einwirbt aber mehr als 30 Prozent der Studierenden stellt. Welchen Stellenwert hat für Sie die Lehrerbildung?

Menzel-Riedl: Ich finde es manchmal richtig schade, dass Lehrerbildung und Forschungsorientierung gegeneinander ausgespielt werden. Das darf nicht sein. Wir können in Osnabrück unheimlich stark punkten, weil wir Lehrerinnen und Lehrer wissenschaftsbasiert ausbilden. Als Biologiedidaktikerin höre ich von Studierenden immer wieder: „Ach, das ist viel zu theoretisch. Wir möchten mehr Praktika und mehr Schulwissen.“ Da halte ich knallhart dagegen. Wenn sie später in der Schule Generationen von Schülern Fachwissen vermitteln, müssen sie das Fach genau kennen. Und hier bei uns haben die Lehramtsstudierenden die Möglichkeit, zum Beispiel mit Spitzenforschern im Labor zu arbeiten oder seltene Textbestände zu analysieren. Diese Chance bieten nur wenige Universitäten. Das ist einmalig und wird hier in Osnabrück angeboten.

Vielen Dank für das dieses flammende Plädoyer für die Osnabrücker Lehrerbildung...

Menzel-Riedl: ... Wir möchten junge Menschen ausbilden, die wirklich als Expertinnen und Experten ihres Fachs an die Schulen gehen. Das sind am Ende die besten Lehrerinnen und Lehrer. Wir bekommen dafür sehr viel positives Feedback von den aufnehmenden Institutionen, Studienseminaren und Schulen.

Glaubt man den Prognosen, wird es durch den demografischen Wandel bald weniger Studieninteressierte geben mit allen Konsequenzen für die Ausstattung der Universität. Wie lässt sich gegensteuern?

Menzel-Riedl: Sicherheit und Übersichtlichkeit sind für viele Studierende wichtige Argumente. Deswegen versuchen wir als Universität aufzutreten, die „Gut studieren und leben“ als Wahlspruch nach vorne bringen will, wenn es um das Anwerben von Studierenden geht. Dahinter verbirgt sich eine größere Komplexität, aber ich glaube, dass das schon auch etwas ist, womit wir punkten können. Viel wird davon abhängen, wie sehr es uns gelingt, diese Botschaft nach außen zu bringen.

In wenigen Tagen startet das Wintersemester. Was möchten Sie den Studierenden mit auf den Weg geben?

Menzel-Riedl: Hier alle Chancen wahrzunehmen, die ihnen geboten werden und sich als Mitglied dieser lebendigen Universität zu begreifen.

Prof. Lückes Verabschiedung von der Uni-Verwaltung

Herr Prof. Lücke, was kommt nun nach der Präsidentschaft?

Lücke: Meine Präsidentschaft hat ja unter einem sehr unglücklichen Vorzeichen begonnen, nämlich einer Krebserkrankung. Es wird jetzt Zeit, dass ich einfach zurückschalte. Sechs Jahre gab es ein Familienleben nur am Wochenende und im Urlaub.

Bleiben Sie der Wissenschaft erhalten?

Lücke: Fünf Jahre bin ich noch wissenschaftlicher Leiter der Zentralen Evaluations- und Akkreditierungsagentur in Hannover. Auch werde ich weiterhin an der Entwicklung der „Hightech-Strategie 2025“ der Bundesregierung mitwirken. Zudem erfordert das Schöffenamt am Landgericht in Göttingen viel Zeit.

Ihr Wunsch an das neue Präsidium?

Lücke: Dass es ein „dream team“ für die Universität wird.

Vielen Dank für das Gespräch.